Einen bemerkenswerten Tweet hat das „MKJFGFI“ abgesetzt. Diese kryptische Buchstabenfolge steht für ein Ministerium aus NRW.

Merke: Auch Vorfälle „unterhalb der Stafbarkeitsschwelle“ sollen gemeldet werden.

Dies bietet Anlass, um sich mit des deutschen Spießbürgers liebstem Hobby, dem Anschwärzen von Mitbürgern, zu beschäftigen. Damit das Thema auch schön polarisiert, am Beispiel des Denuntiantentums im Dritten Reich. Was hat es dazu nicht alles für tolle Studien, Dissertationen und Artikel gegeben?

Weniger bekannt ist jedoch, dass das Problem auch den Nazis bekannt war und als solches gesehen wurde. In Thürigen gab es z.B. wegen Überlastung der Gestapo einen Erlass des Innenministeriums, den ich seiner Kürze wegen im Originalwortlaut wiedergeben kann:

Erlass zur „Bekämpfung des Denunziantentums“ in Thüringen (26. Mai 1934)

In der letzten Zeit ist eine erhebliche Zunahme des Denunziantentums festzustellen. Vielfach werden bei den Polizeibehörden Anzeigen wegen angeblich staatsfeindlicher Äußerungen erstattet. Bei näherer Prüfung ergibt es sich, daß diese Anzeigen fast ausschließlich auf persönliche Streitigkeiten zurückzuführen sind und daß die Äußerungen teilweise viele Monate zurückliegen. Namentlich werden bei Hausstreitigkeiten die Gegner oft politisch verdächtigt. Die Polizeibehörden werden daher angewiesen, gegen die leichtfertige Erstattung ungerechtfertigter Anzeigen auf Grund des § 164 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1933 (RGBl. S. 295) vorzugehen. Es muß mit allem Nachdruck dafür gesorgt werden, daß die des deutschen Volkes und des nationalsozialistischen Staates unwürdige Erscheinung des Denunziantentums verschwindet. – Thüringisches Ministerium des Innern

Heute leben wir bekanntlich im besten Deutschland aller Zeiten, das sich insbesondere auch als Gegenmodell zur Gewalt- und Willkürherrschaft im Dritten Reich versteht. Nun ist es leider so, dass man nicht immer und überall das Gegenteil der Nazis tun kann. Die Nazis sind z.B. jeden Morgen aufgestanden und haben ein Frühstück zu sich genommen. Das Gegenteil bestünde darin, sich jeden Morgen zu übergeben und danach wieder ins Bett zu gehen. Dies mag vielleicht noch in Studenwohnheimen funktionieren, ist aber als Handlungsempfehlung für die Gesellschaft untauglich. Die staatliche Aufforderung zum Denuntiantenum und die diesbezügliche Einrichtung von Meldestellen ist jedoch insoweit ambivalent. Das kann man natürlich machen. Meldewürdig verdächtig kann alles und jeder sein, denn Strafnormen sollen ja keine Rolle spielen. Mit Art. 23 DSGVO wird das bestimmt in Einklang zu bringen sein.