Der Guardian, die britische Version des Spiegels, ist empört über eine Entscheidung des US Supreme Courts. Es geht dabei um den feuchten Traum der sog. „Anti-Rassisten“, die Affirmative Action. Um die Benachteiligung einer Gruppe zu beseitigen, benachteiligt man einfach eine andere. Dass weder die einen, noch die anderen, etwas dafür können, ist egal. Bei uns gibt es dies – trotz unserer Geschichte – natürlich auch, unter dem wunderschönen Namen „Positive Diskriminierung“. Wer sich fragt, was an einer Diskriminierung positiv sein soll, den muss ich leider enttäuschen. Es ist ein Widerspruch in sich.

Geklagt hatte in den USA ein Studentenverein gegen die Aufnahmepraxis bei Harvard und der Universität von North Carolina. Dort spielt, neben vielen anderen Kriterien, auch die Rasse eine Rolle. Das Supreme Court sah darin einen Verstoß gegen Section 1. des 14. Zusatzartikels zur US-Verfassung.

All persons born or naturalized in the United States, and subject to the jurisdiction thereof, are citizens of the United States and of the State wherein they reside. No State shall make or enforce any law which shall abridge the privileges or immunities of citizens of the United States; nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law; nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.

Das Gericht hat sich offenkundig an den Wortlaut der Verfassung gehalten. Wo ist das Problem?

Das Problem liegt in der Weigerung zu tricksen. Man hat nicht von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die durch die juristischen Auslegungsmethoden eröffnet werden. Der Wortlaut des Gesetzes ist in der Jurisprudenz nur eine von vier möglichen Begründungen. Richter können den Wortlaut ignorieren, oder gar ins Gegenteil verdrehen, aus historischen Gründen, aus systematischen Gründen, oder – bitte anschnallen – weil sie in ihrer unendlichen Weisheit den wahren Sinn der Norm erkannt haben. Diese Methode der Rechtsbeugung Rechtsfortbildung hat eine lange Tradition, auf die ich bereits in einem früheren Beitrag hingewiesen habe. Auf ihr basiert im Kern die westliche Rechtsordnung. In anderen Rechtsordnungen dürfte es ähnlich laufen.

Natürlich hätte man den Fall auch problemlos andersrum entscheiden können. Man hätte zum Beispiel den Unterschied zwischen „gleich“ und „gleicher“ herausarbeiten können. Das haben die „konservativen“ Richter, die laut informierten Kreisen offenbar der falschen Religion angehören, vermutlich aus purer Boshaftigkeit, nicht getan. Dafür ernten sie nun die Kritik des Flaggschiffs der progressiven Propaganda in England. In Deutschland wäre ein solcher Vorgang unvorstellbar. Der Spiegel würde sich niemals erdreisten, unser Bundesverfassungsgericht zu kritisieren, weil dies einer postmodernen Form der Gotteslästerung gleichkäme. Das Bundesverfassungsgericht wird ihm mit seiner progressiven Rechtsprechung dazu ohnehin auch keinen Anlass geben.

 

Nachtrag: In Deutschland verstößt die „positive“ Diskriminierung natürlich nicht gegen das Grundgesetz, denn die Regierung Kohl IV (CDU/CSU/FDP) hat dies im Jahre 1994 ganz einfach direkt ins Grundgesetz geschrieben. Soviel zum Thema „konservativ“. SPD/Grüne haben natürlich begeistert zugestimmt.