Die Tagesschau berichtet, dass der Bundeskanzler trotz einer Entscheidung des VG Berlin an der Zurückweisung Asylsuchender festhalte. Das klingt natürlich auf den ersten Blick gar nicht so vorbildlich rechtmäßig, wie man es eigentlich von Bundeskanzlern und Bunderkanzlerinnen erwartet. Auf das Urteil selbst, auch nicht auf das Aktenzeichen, wird allerdings nirgendwo hingewiesen. >> Hier ist es zu finden <<.
Zunächst fällt auf, dass es sich um einen Beschluss im einsteiligen Rechtsschutz handelt, d.h. es wurde lediglich summarisch geprüft.
Die Begründung lautet im Kern wie folgt:
„Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG, auf welche die Antragsgegnerin die am 9. Mai 2025 verfügte Einreiseverweigerung gestützt hat, kommt als Rechtsgrundlage für die Zurückweisung aufgrund vorrangigen Unionsrechts nicht in Betracht. Danach ist einem Ausländer, der entsprechend Absatz 1 der Vorschrift bei einer mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde (Grenzbehörde) um Asyl nachsucht, die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylG einreist.
Zwar ist der Anwendungsbereich des § 18 AsylG hier eröffnet, weil die Antragstellerin nach ihrem Bekunden und nach dem Inhalt des Bescheids vom 9. Mai 2025 bzw. den vorgelegten Unterlagen der Bundespolizei im Rahmen der Einreisekontrolle am 9. Mai 2025 im Bahnhof Frankfurt (Oder), d.h. auf deutschem Staatsgebiet, ein Asylgesuch geäußert hat (vgl. § 13 Abs. 1 AsylG).
…
Jedenfalls wird § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall durch die aufgrund ihres Anwendungsvorrangs vorgehenden unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-III-Verordnung verdrängt, welche die Durchführung des vollständigen in dieser Verordnung geregelten Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz vorsehen, bevor eine Rückführungsentscheidung getroffen werden kann.
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Schließlich kann sich die Antragsgegnerin nicht auf Art. 72 AEUV berufen, um einen Verstoß gegen Vorgaben aus der Dublin-III-Verordnung zu rechtfertigen. Danach berührt Titel V des Vertrages nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Innerhalb des Titel V AEUV ist in Art. 78 Abs. 1 AEUV die Entwicklung einer gemeinsamen Politik im Bereich Asyl vorgesehen, wozu nach Abs. 2 Buchst. e) Maßnahmen in Bezug auf Kriterien zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf Asyl oder subsidiären Schutz zuständig ist, mithin auch die Vorgaben der Dublin-III-Verordnung gehören.
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Es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des Art. 72 AEUV durch die Antragsgegnerin.“
Der letzte Satz ist quasi der springende Punkt, denn der Bundeskanzler hat eine entsprechende Notlage ausgerufen. Er muss sich dafür nicht vor dem VG Berlin erklären, allenfalls vor dem EUGH. Für das VG Berlin waren die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 72 AEUV – zumindest im einstweiligen Rechtsschutz – als erfüllt anzusehen, denn es gilt der sog. „Beurteilungsspielraum“ der Exekutive. Das heißt, ob derzeit die öffentliche Ordnung und/oder die öffentliche Sicherheit in der Bundesrepublik gefährdet ist, entscheidet der Bundeskanzler, nicht das VG Berlin.
Nachtrag: Offenbar steht nun auch noch die Befangenheit des Richters im Raum, der um die Jahrtausenwende Mitglied in der linksextremen Organisation „JungdemokratInnen/Junge Linke“ war. Gut, das eine muss mit dem anderen natürlich nichts zu tun haben.
Update (07.06.2025): Die Präsidentin des VG Berlin hat der ZEIT ein Interview gewährt. Bereits das Foto, mit dem sie sich präsentiert, ist dubios und aus meiner Sicht ein offenkundiger (sic!) Verstoß gegen § 39 DRiG. Das VG Berlin ist kein Szenetreffpunkt für „Rocker“, oder für Personen, die den Einschein erwecken wollen, „Rocker“ zu sein. Im Ergebnis geht die Präsidentin mit keinem Wort auf den Elefanten im Raum ein, nämlich die Befangenheit. In diesem Zusammenhang ist auch noch zu erwähnen, dass z.B. in Bayern vor der Ernennung zum Richteramt eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgt, in Berlin nicht. Die LINKE legt auch großen Wert darauf, dass das so bleibt (vgl. S. 59). In Bayern wäre dieser Richter vermutlich niemals Richter geworden.