In den Medien geistert eine neue Schockmeldung herum, die kommende Bundesregierung plant, das Lügen zu verbieten.

Das klingt erst mal bedrohlich, denn wer sagt schon die Wahrheit, vor allem gerichtsfest? In Japan wurde nach Kriegsende ein berühmter Film zu diesem Thema gedreht, wo verschiedene Akteure jeweils ihre eigene „Wahrheit“ erzählt haben. Franz Josef Strauss hat einmal gesagt, der Unterschied zwischen ihm und Helmut Schmidt sei, dass er stets ungenau richtig liege, während Schmidt immer exakt falsch liegt. Was, wenn jedoch nur einer angeklagt wird?

Die letzte Frage beantworte ich zuerst: Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Wenn nur einer des Lügens angeklagt wird und der andere nicht, ist das nicht das Problem des anderen. Insoweit dürfte es natürlich regelmäßig die Opposition treffen, denn die Staatsanwaltschaft ist bekanntlich weisungsgebunden.

Der Rest ist alter Wein in neuen Schläuchen. In den USA, wo die Meinungsfreiheit grenzenlos garantiert ist, wurde man mit folgender Frage konfrontiert: Wenn man in einem überfüllten Kino wider besseres Wissen „Feuer“ ruft, daraufhin eine Massenpanik ausbricht und es zu Opfern kommt, wäre dies noch von der Meinungsfreiheit gedeckt? Die Antwort ist offenkundig Nein, denn ob es brennt, ist eine Tatsachenbehauptung und keine Meinung.

Im deutschen Strafrecht gibt es dazu explizit nur eine Regelung, die sog. „Störpropaganda“ in § 109d StGB. Die meisten anderen Konstellationen sind über die Straftaten gegen Leib und Leben und die Konstuktion der mittelbaren Täterschaft abgedeckt. Wer in einem Kino wider besseres Wissen „Feuer“ ruft, nutzt die in Panik geratene Menge als Werkzeug zur Begehung von Straftaten. Ähnlich ist es mit der Volksverhetzung, die den Veranstaltungsredner vor Augen hat, der eine Menge so lange anheizt, bis sie wütend Ausschreitungen begeht, und sich hinterher damit herausreden will, dass er dies nicht gewollt habe. Was bleibt dann eigentlich noch übrig? So ziemlich all das, was von sog. „Faktencheckern“ aufgegriffen wird, i.d.R. für unwahr zu erklärende Tatsachenbehauptungen, die sich sehr gut zur Regierungskritik eignen. Damit kommen wir zu des Pudels Kern, Hindenburgs Verordnung vom März 1933:

„§ 3: (1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für das Reich oder ein Land entstanden, so kann auf Zuchthausstrafe erkannt werden. (3) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.“

Sollte eine entsprechende Regelung kommen, dürfte sie wahrscheinlich ähnlich lauten. Der Sache nach, wäre es ein Auffangtatbestand. Wichtig ist dabei natürlich, dass der Staat die Unwahrheit der Aussage – anders die üble Nachrede – zu beweisen hätte. Sog. „Faktenchecker“ sind keine Sachverständige.