Die neue Bundesjustizministerin, übrigens eine ausgewiesene Spitzenjuristin, hält Hass und Hetze offenbar für Delikte, die gemäß des Legalitätsprinzips ein polizeiliches Einschreiten erfordern.

Dies halte ich im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG für hochgradig bedenklich, denn strafbar ist lediglich die Volksverhetzung, § 130 StGB. Andere Formen der „Hassrede“ sind straflos. Auch in der totalitären DDR waren lediglich „Kriegshetze“ (§ 89 StGB-DDR), „Volks- und Rassenhetze“ (§ 92 StGB-DDR) und „Staatsfeindliche Hetze“ (§ 102 StGB-DDR) strafbar, andere Hetze nicht. Hass war im real existierenden Sozialismus überhaupt nicht strafbar, sonst hätte man vermutlich Probleme mit den eigenen Hasskampagnen gegen den Westen, Faschisten, Kapitalisten, Imperialisten und gegen Amerikaner bekommen.

Wie kann es passieren, dass der Meinungskorridor in Deutschland über die Strafgesetze hinaus eingeschränkt wird? Das liegt ganz einfach daran, dass dieses Phänomen aus den USA über den großen Teich zu uns rübergeschwappt ist. In den USA herrschte nämlich eine unbeschränkte Meinungsfreiheit, der man schrittweise bekommen musste, ohne dabei die Verfassung zu verletzten. Ein wichtiger Schritt war die Erfindung der sog. „political correctness“, das heißt die freiwillige Selbstbeschränkung. Im amerikanischen Strafrecht gilt seit 1969 der sog. „Brandenburg-Test„. Danach ist eine Äußerung strafbar, wenn sie bewusst geschieht, die Möglichkeit besteht, dass sie zum Begehen einer Straftat anregt, und dies auch wahrscheinlich ist.

Wer diese Kriterien mit unserem § 130 StGB vergleicht, merkt sofort, dass dort das Wahrscheinlichkeitskriterium fehlt, denn wenn dem so wäre, könnte man die jährlichen Fälle einer Verurteilung an einer Hand abzählen. Bei Beleidungsdelikten ist das nicht anders. Während in Deutschland pro Jahr ca. 50.000 Verturteilungen wegen Beleidigung erfolgen, sind es in England, wo man auch Leuten seine Meinung sagen darf, 1,5 (genauer: 3 in zwei Jahren).

P.S.: Hass ist, genau wie Liebe, eine sehr starke Emotion. Da Liebe im Leben jedoch nur selten belohnt wird, darf Hass auch nur selten bestraft werden.