Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten behauptete eine Dame in einem Buch, im Jahre 1996 vom ehemaligen Präsidenten, der damals lediglich ein A-Promi war, in einer Umkleidekabine „vergewaltigt“ worden zu sein. Dieser bestritt den Tatvorwurf und bezeichnete die Autorin als Lügnerin. Sie strengte daraufhin ein Zivilverfahren wegen Vergewaltigung und Verleumdung an. Zivilverfahren deshalb, weil sie damals offenbar – warum auch immer – keine Strafanzeige wegen Vergewaltigung gestellt hatte. Vielleicht wollte sie auch die damalige Ehe des Beklagten nicht gefährden. Wer weiß? Anyways, in dem Zivilverfahren kam die Jury überein, das es keine Vergewaltigung war, sondern sexueller Missbrauch. Damit hatte sich die Subsumtion als falsch erwiesen. Das war jedoch egal, denn etwas war wohl dran. Die Reaktion des Betroffenen hat man als überzogen bewertet und sanktioniert (Schweinehundtheorie).

Der Verurteilte hielt jedoch nach der Verurteilung an seinen Behauptungen fest. Daraufhin kam es zu einem zweiten Zivilverfahren wegen Verleumdung. Der Uneinsichtige wurde nun erneut verurteilt.

„Bereits vor Beginn des zweiten Prozesses hatte auch Richter Lewis Kaplan entschieden, dass spätere Kommentare Trumps verleumderisch gewesen seien. Damit musste die Jury nun lediglich noch über die Höhe der Entschädigung entscheiden, die Trump bezahlen muss.“

Dieser Fall ist insbesondere als politisches Kampfmittel rund um den Streisand-Effekt von Bedeutung.

Unterstellt, eine politische Aktivistin behauptet rufschädigende Tatsachen, zu denen es außer ihrer eigenen Aussage keine weiteren Beweise gibt, kann der Betroffene wegen Verleumdung klagen. Dabei trägt er jedoch die Beweislast und geht somit das Risiko ein, vor einer Jury zu unterliegen. Beschränkt sich der Betroffene lediglich auf das Bestreiten der Vorwürfe, kann die politische Aktivistin ein Zivilverfahren anstrengen, und auf Basis ihrer eigenen Aussage vor einer Jury obsiegen. Vor einer amerikanischen Jury ist praktisch alles möglich, sogar eine „Jury nullification„. Bezeichnet der Betroffene die Aktivistin auch noch als Lügnerin, kommt natürlich noch Verleumdung hinzu. Das Prozessrisiko kann von irgendwelchen sog. „Philanthropen“ aufgefangen werden. Wenn Geld keine Rolle spielt, ist dies in den USA im Prinzip ein sog. „Shot to nothing“, mit dem man den politischen Gegner wirtschaftlich ruinieren kann.

Wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Kann man auch hier wegen vermeintlichen Vorfällen, die sich vor 30 Jahren und mehr ereignet haben sollen, zivilrechtlich „geframed“ werden? Ausnahmsweise ja, wenn es dabei z.B. um die sexuelle Selbstbestimmung geht. Was den Zeitraum anbetrifft, spielt auch noch der Verjährungsbeginn eine Rolle. Bei uns in Deutschland kommt jedoch keine Laienjury zum Einsatz, schon gar nicht im Zivilrecht. Ferner kann eine Prozesspartei der Vernehmung der Gegenseite (Parteivernehmung) widersprechen. Im Falle einer sog. „Beweisnot“ kann das Gericht allerdings auch eine Vernehmung von Amts wegen anordnen und letztlich glauben, wem es will. Das Problem dabei zeigt sich insbesondere bei den Fällen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen durch kirchliche Würdenträger. Wird bekannt, dass ein Pfarrer vor 30 Jahren und mehr Jugendliche missbraucht hat, kann im Prinzip jeder auf Schmerzendgeld klagen, der damals als Jugendlicher Kontakt zu diesem Pfarrer hatte. Letztlich wird ein Fass ohne Boden geschaffen. Der große Unterschied zu den USA besteht darin, dass man hier mit einem Zivilverfahren kaum ruiniert werden kann. Die Entschädigungen sind geringer.

 

Exkurs: Früher, als die Zeit noch gut und alt war, konnte der Kläger im Zivilrecht seine eigenen Tatsachenbehauptungen noch selbst beschwören. Der Eid war vor Gericht für den Vollbeweis ausreichend. Es bestand allerdings das Risiko, hinterher wegen Meineids angezeigt zu werden. Deshalb zogen viele Zivilverfahren insbesondere im wirtschaftlichen Chaos der Weimarer Republik strafrechtliche Verfahren nach sich. Es waren letztlich so viele, dass man im Jahre 1933 das österreichische Beweisrecht in die ZPO übernahm. Dieses Gesetzesvorhaben lag bereits in der Schublade und wurde lediglich umgesetzt.