Bei der LTO kommt ein Oberstaatsanwalt (OSta) zu Wort, der als Experte die Drehbuchautoren des Tatorts berät. Er behauptet in dem Interview u.a. der Tatort hätte keinen Erziehungsauftrag. Diese Aussage ist insoweit interessant, weil sie Meinung und Tatsachenbehauptung zugleich sein kann.

Zum Erziehungsauftrag, der euphemistisch auch gerne als „Bildungsauftrag“ bezeichnet wird, der öffentlich-rechtlichen Medien, ist viel geschrieben worden. Herausheben möchte ich exemplarisch einen Focus-Artikel aus dem Jahre 2014 und eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes aus dem Jahre 2006, die Rechtsgrundlagen benennt. Geändert hat sich wenig. Die Vermittlung der guten Botschaft ist allenfalls aufdringlicher geworden.

Diese Form der medialen Propaganda hat eine lange Geschichte und geht zurück bis zur Gründung der UfA im Jahre 1917. Damals kam die Oberste Heeresleitung auf die Idee, man müsse der britischen Desinformation etwas entgegensetzen. Die UfA wurde dann auch während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis als massives Propaganda-Medium genutzt. Als Beispiel möchte ich den Film „Die große Liebe“ aus dem Jahre 1942 anführen. Thema ist der Gewissenskonflikt eines Offiziers, der sich zwischen der Liebe seines Lebens und dem Fronteinsatz entscheiden muss. Aus Sicht der NS-Propaganda vorbildlich, entscheidet er sich für die Verteidigung des Vaterlands.* Natürlich war damals auch den Autoren klar, dass der Durchschnittsbürger nicht immer dieselbe charakterliche Stärke besitzt, wie es im Drehbuch steht, aber zumindest wurde so die idealtypische Handlungsweise in den Köpfen der Zuschauer verankert. Die Methode der unterschwelligen Indoktrination hat sich im Prinzip nie geändert. Ob Lindenstraße oder Tatort, die Protagonisten verhalten sich immer vorbildlich im Sinne des Staates. Die jeweiligen Antagonisten tun das genaue Gegenteil, und scheitern damit natürlich ausnahmslos.

Last but not least möchte ich hier auch noch die Kontrollratsdirektive 56 präsentieren, die sehr schön aufzeigt, wie sich die Alliierten einst die Mittel zur Umerziehung der deutschen Bevölkerung vorgestellt haben. Radio, Kino, Presse, Bibliotheken und Museen sollten dazu genutzt werden, also im Prinzip totale Propaganda überall. In Anbetracht dieser Indizienlage, kann es sich bei der Aussage des Oberstaatsanwalts wohl nur um eine Meinung gehandelt haben. Es wäre jedenfalls sehr verwunderlich, warum ausgerechnet der Tatort, der traditionell eine hohe Einschaltquote erzielt, eine Ausnahme darstellen sollte. Im Übrigen haben insbesondere Krimis einen Erziehungsauftrag par excellence, denn am Ende werden die Täter alle erwischt. Crime doesn’t pay!

 

 

* Diese Story wurde im Jahre 1957 anlässlich der Wiederbewaffnung nochmal verfilmt, diesmal allerdings ohne Happy End.