Über einen interessanten Fall aus der Welt der Hochstapler, Trickbetrüger und Con-Men berichteten vor einem halben Jahr Tagesspiegel und LTO.

Einem mehrfach vorbestraften Hochstapler – mit 38 Alias-Namen – war es gelungen, u.a. einen Geschäftsmann um 120.000 € zu prellen. Im Rahmen der Ermittlungen wurde auch noch gefälschter Richterausweis gefunden. Wegen „Verschaffens falscher amtlicher Ausweise“ wurde der Angeklagte letztlich zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im Hauptanklagepunkt, schwerer Betrug, wurde er jedoch überraschenderweise von der Amtsrichterin freigesprochen. Eine Amtsrichterin war es deshalb, weil hier trotz der exorbitanten Schadenshöhe vor dem Amtsgericht angeklagt worden war. Das heißt, die Staatsanwaltschaft ging trotz der vielen Vorstrafen von einer Freiheitsstrafe < 4 Jahre aus.

Das wirft zwei Fragen auf:

  1. Wieso ging man nur von einer moderaten Straferwartung aus?
  2. Wie konnte es zu diesem Freispruch kommen?

Die erste Frage kann ich mangels Aktenkenntnis leider nicht beantworten, es ist jedoch ungewöhnlich, denn die Höchststrafe für § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB liegt bei 10 Jahren. Die zweite Frage hat mit dem Unterschied zwischen der juristischen Definition des Betrugs und dem Laienverständnis zu tun. Was ein Laie unter Betrug versteht, ist für einen Juristen noch lange nicht dasselbe. Der Betrug gem. § 263 StGB hat vier objektive Tatbestandsmerkmale:

  1. Täuschungshandlung
  2. Irrtum
  3. Vermögensverfügung
  4. Schaden

Die Richterin hat im vorliegenden Fall den Irrtum verneint, denn dem Opfer sei offenbar klar gewesen, dass es sein Geld niemals wiedersieht. Das ist eine tatsächliche Feststellung, die ich mangels Aktenkenntnis auch nur schwer kritisieren kann, denn das Opfer kann hier natürlich erkennbar zum eigenen Nachteil gehandelt haben. Es ist lediglich hochgradig ungewöhnlich, denn bei solchen Konstellationen glaubt das Opfer insgeheim zum eigenen Vorteil zu handeln. Kein sog. „normaler Mensch“ gibt einfach so 120.000 Euro aus der Hand, ohne sich dabei einen Vorteil zu versprechen Daher stammt auch das Sprichtwort „You can’t cheat an honest man„. Auf diesem Konzept basierte übrigens auch die BBC-Serie „Hustle„. Das Opfer weiß, dass es ein Risiko eingeht, glaubt jedoch zumindest daran, dass es eine theoretische Erfolgschance gibt. Die gibt es beim Trickbetrug nicht, und darin besteht der Irrtum, den sich der sog. „Con-Man“ zunutze macht. Die Tatsachenfeststellung der Amtsrichterin ist, ein absoluter Knaller. Was für ein Zufall, dass ein Hochstapler auf ein untaugliches Opfer trifft, und dabei noch nicht mal einen versuchten Betrug begeht. Die Beute ist natürlich auch weg, denn die wurde schön verprasst.

An dieser Stelle möchte ich eine Anekdote aus der Juristenausbildung erwähnen: In einer Examensklausur im Strafrecht ging es um die Frage, ob der Fehlschuss mit einem sog. „Vorderlader“ gleichzeitig ein fehlgeschlagener Versuch sei, von dem dogmatisch der strafbefreiende Rücktritt ausgeschlossen ist. Bei dieser Klausur fielen leider auffällig viele weibliche Kandidaten durch, die vermutlich wussten, was ein „Hinterlader“ ist, jedoch mit dem Begriff „Vorderlader“ nichts anfangen konnten. Das ist im Übrigen auch ein drastisches Beispiel für sexistische Stereotype in Klausuren zum Nachteil von Frauen.

Ich will damit nicht behaupten, dass „Confidence Tricks“ in der Sozialisierung der Richterin keine Rolle gespielt haben, aber es ist nicht ausgeschlossen. Sicher ist jedenfalls, dass ihr Richterausweis echt ist, und, dass ein männlicher Kollege, der aufgrund seiner Sozialisierung ein entsprechendes marginales Grundverständnis mitbringt, diesen Fall höchstwahrscheinlich anders entschieden hätte. Das ist jedoch egal, denn der war hier nicht gesetzlicher Richter.

P.S.: Wer bei solchen Fällen an die Sicherungsverwahrung von Gewohnheitsverbrechern denkt, ist nicht mehr uptodate.