Der Spiegel berichtet über einen selbsternannten „Anzeigenhauptmeister“, der sein eigenes privates Social Credit System in Form einer „menschlichen Überwachungskamera“ ins Leben gerufen hat.

Natürlich stellt sich insbesondere auf seine Eigenbezeichnung hin die Frage, ob es sich dabei um Amtsanmaßung i.S.v. § 132 StGB handelt. Die deutsche Verwaltung kennt zwar keinen „Anzeigenhauptmeister“, aber vielleicht greift der Tatbestand ja auch bei fiktiven Dienstbezeichnungen. Insoweit ist jedoch Entwarnung zu geben. Die Strafbarkeit wird in solchen Fällen zwar grundsätzlich bejaht, erforderlich ist jedoch eine Verwechselbarkeit mit Inhabern eines echten öffentlichen Amtes. Es muss also die Gefahr bestehen, dass das Verhalten des „Anzeigenhauptmeisters“ dem Staat zugerechnet werden kann. Der Bürger könnte hier auf die Idee kommen, dass er vom Ordnungsamt kommt und den freundlichen Kolleginnen das Schreiben der Knöllchen streitig macht. Insoweit ist eine juristische Spitzfindigkeit erforderlich: Haben sie schon mal eine Politesse gesehen, die sich als Müllmann verkleidet? Ich jedenfalls nicht.

Der Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen gem. § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB scheidet aus, weil das orangefarbene Müllmannoutfit keine Amtskleidung (sic!) darstellt und der Katalog insoweit abschließend ist.

Bleibt noch das Uniformverbot gem. § 3 Abs. VersG durch das Tragen besagten outfits. Diesbezüglich ist an den Fall der selbsternannten „Scharia-Police“ zu erinnern. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch offenkundig an einer Versammlung, deshalb können alle anderen Fragen dahinstehen.

Damit kann der junge Mann – jedenfalls nach meiner Rechtauffassung – loslegen und Verkehrssündern das Handwerk legen. Sobald sein System Schule macht, dürften Gleichgesinnte auch alle anderen Lebensbereiche kontrollieren. Das wäre dann die säkularisierte Version der „Scharia-Polizei“, welche die Einhaltung menschlicher Gesetze  durchsetzt. Natürlich werden dadurch Erinnerungen an die Blockwarte geweckt, aber diesmal kämpfen sie für das Gute.

P.S.: Was kann die Verwaltung machen, wenn sie das Vorgehen des jungen Mannes missbilligt? Sie könnte die Verfahren schlichtweg einstellen. Das ist bei sog. „polizeibekannten Personen“ gar nicht mal so selten. Im Recht der Ordnungswidrigkeiten gilt das Opportunitätsprinzip. Auf der anderen Seite spült der junge Mann Geld in die leeren Gemeindekassen. Insoweit gilt der alte Spruch: Pecunia non olet.

P.P.S.: Was macht ein Halter, gegen den ein Bußgeldverfahren eröffnet wurde? Er wirft einen Blick in >> diese << Entscheidung.

Update (12.03.2024): Dass der junge Aktivist mittlerweile Anfeindungen ausgesetzt ist, dürfte allerdings eine zwar bedauerliche, aber zugleich absehbare Begleiterscheinung sein, die nicht zuletzt auf seine mediale Popularität zurückgeht. Ähnlich erging es  z.B. Alfred Falck in der Weimarer Republik, der mit seiner „Republikanischen Beschwerdestelle„, eines privaten Denunzierungsvereins, laut den damaligen Medienberichten zu den „bestgehassten Leuten in Deutschland“ gehört hatte. Was will man dagegen tun? Soll man ihn unter Polizeischutz stellen, oder soll man ihm anraten, es einfach bleiben zu lassen?