Was haben Colorado und Magdeburg gemeinsam?

In Colorado verkündete der dortige Oberste Gerichtshof – in der Übersetzung des Tagesspiegels – folgende Einsicht:

„Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass Trump mit der konkreten Absicht gehandelt hat, politische Gewalt anzustacheln und sie gegen das Kapitol zu richten, um die Bestätigung des Wahlergebnisses zu stören.“

In Magdeburg kam das dortige Amtsgericht im Jahre 1924 zu der Erkenntnis, dass die Behauptung, Friedrich Ebert habe als Beteiligter am Januarstreik 1918 Landesverrat begangen, im strafrechtlichen Sinn* zutreffend sei. Dies nahmen die Nazis übrigens am 22. Juni 1933 u.a. zum Anlass, um die SPD als „staats- und volksfeindliche Organisation“ zu verbieten. Die Begründung, die bei LeMO abgeschnitten wurde, lautete u.a., die SPD-Führung schrecke auch vor Hoch- und Landesverrat nicht zurück. Gemeint war damit neben besagter Erkenntnis im Magdeburger Prozess vermutlich auch die Verurteilung August Bebels wegen Hochverrats im Jahre 1872. Dass dazu im Jahre 1912 mutmaßlich auch noch ein Landesverrat kam, konnten die Nazis damals allerdings nicht wissen, denn die „Briefe an Sir Henry“ gelangten erst 1973 an die deutsche Öffentlichkeit. Geschadet hat das alles offenbar weder Ebert, noch Bebel.

Eine ausführliche Darstellung des Prozesses findet sich >> hier <<. Besonders gelungen, finde ich den Abschnitt „Würdigung“. Dort wird beklagt, dass die rechtslastige [passender: rechtlastige – Anm. d. Verf.] Justiz in der Weimarer Republik der jungen Demokratie und ihren Trägern nicht den notwendigen Schutz gewährte. Zitiert wird Friedrich Ebert selbst: „Staatsinteresse und Rechtspflege scheinen heute aber schlecht miteinander zu vereinbaren zu sein“.

Soviel zu den Gemeinsamkeiten zwischen Colorado und Magdeburg. Im Unterschied zur Weimarer Republik, wo man problemlos Reichskanzler** bleiben konnte, obwohl man den objektiven Tatbestand des Landesverrats verwirklicht hatte, soll es nun in den USA wenigstens unmöglich gemacht werden, dass man sich wiederwählen lässt. Dieser fromme Wunsch wird vermutlich vor dem US Supreme Court scheitern, denn dort stellen konservative Richter die Mehrheit. Es kann natürlich sein, dass sie von Magdeburg gelernt haben und die Interessen des amerikanischen Deep States vor die Rechtspflege stellen.

 

Update (04.03.2024): Zum Leidwesen der deutschen Presse hat das Supreme Court im Sinne des Ex-Präsidenten entschieden. Das lag wohl auch daran, dass er zuvor für die richtige Besetzung gesorgt hatte, denn nicht auf das Recht kommt es an, sondern auf die Richter.

 

* Dass der Nebenkläger, wie vor Gericht erklärt, nur in die Streikleitung gegangen war, um die Bewegung zu mäßigen und möglichst bald einzustellen, wäre zwar verlogen, aber zugleich staatstragend gewesen, wurde jedoch offenbar als Schutzbehauptung gewertet. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

** Reichsfinanzminister Erzberger trat nach einem ähnlichen Reputationsverlust im Jahre 1920 umgehend zurück.