Bei der LTO berichtet ein Gastautor von einer Schöffenbefragung. Dort sei herausgekommen, dass Schöffen sich bei „Deals“ oftmals übergangen fühlten. Dass es so etwas wie einen „Deal“ in im deutschen Strafprozess eigentlich überhaupt geben dürfte, sei mal dahingestellt. Es begann in den 1970ern als heimliche Entwicklung und wurde vom Gesetzgeber formal erst im Jahre 2009 legalisiert. Davor hatte der BGH bereits mehrmals beide Augen zugedrückt.

Zur Laienbeteiligung im Strafprozess kann ich etwas ausführen, denn das war mal mein Promotionsthema. Die Promotion habe ich damals nicht vollendet, weil mein Doktorvater – ähnlich dem Wizard of Oz – immer neue Wünsche hatte, was man sonst noch so behandeln könnte. Als er mit der genialen Idee aufwartete, ich könne doch mal „rechtsvergleichend“ die Situation in den anderen europäischen Staaten analysieren, habe ich endgültig von dem Projekt Abstand genommen. Gut, aber darum, wie man seine Doktoranten loswird, soll es hier nicht gehen, sondern um die Rolle der Laienrichter in Deutschland.

Dazu muss ich rechtshistorisch ein wenig ausholen. Ursprünglich war der deutsche Strafprozess, zumindest an den Landgerichten, dem englischen Jury-Prozess nachgebildet. Das heißt, es gab echte Geschworene, die über die Schuldfrage entschieden. Kamen sie zu einem Schuldspruch, entschieden die Berufsrichter über die Strafe. Das praktische Problem bestand für die Staatsanwaltschaft darin, den Geschworenen den Sachverhalt so aufzubereiten, dass – ich übertreibe zur Veranschaulichung – selbst der Dümmste merkt, dass der Angeklagte ein „Schweinehund“ ist. Intellektuelle Defizite von Laien stellten aber auch zugleich für sog. „Starverteidiger“, die es damals noch gab, eine Chance dar, die Geschworenen durch rhetorisches Geschick auf ihre Seite zu ziehen. Trotz seiner offenkundigen Schwächen genoss der damalige Strafprozess dennoch in der Bevölkerung sehr großes Vertrauen.

Die Interessenlage änderte sich erst in der Weimarer Republik, als der Staat zunehmend das Vertrauen in seine Bevölkerung verlor. Im Jahre 1924 kam es dann – rein zufällig, oder auch nicht – zwei Wochen vor dem Hitler-Prozess zur sog. Emminger-Reform. Per Notverordnung wurde die Abschaffung der Schwurgerichte verkündet, lediglich den Namen hat man beibehalten. Aus den Geschworenen wurden Schöffen, die zusammen mit den Berufsrichtern im Beratungszimmer entschieden. Als der Reichstag ein halbes Jahr später diese Notverordnung überprüfen musste, verschlaf ein 80-jähriger Abgeordneter des Zentrums – rein zufällig, oder auch nicht – die Abstimmung, so dass die Emminger-Reform dauerhaft Bestand hatte. Sie gilt im Prinzip noch heute.

Einen wichtigen Unterschied gibt es jedoch. Damals waren die Schöffen am Landgericht in der Mehrheit und konnten die Berufsrichter überstimmen. Dies änderte sich 50 Jahre später, als die Regierung Schmidt durch die StPO-Reform von 1974, die Laienrichter in die Minderheit versetzte. Zu Zeiten des RAF-Terrors mangelte es dem Staat erneut am Vertrauen in die eigene Bevölkerung. Ganz so einfach, wie es von Bertholt Brecht in seinem Gedicht „Die Lösung“ vorgeschlagen wird, ist die Lösung dann doch nicht. Seither sind fast 50 Jahre vergangen. Wiederum mangelt es dem Staat zunehmend am Vertrauen in seine Bürger, also wäre es eigentlich an der Zeit, die Laienrichter komplett abzuschaffen. Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema entwickelt.