Im Jahre 1944 formulierte der amerikanische Vordenker Louis Nizer in seinem Bestseller „What to do with Germany“ u.a. folgende Forderung:

„First, that the entire educational system of Germany be scrapped, just as its arms factories must be. The mental products it has produced have been no less dangerous to mankind than the other varieties of explosives from its munition plants.“

Diese Ansicht, die von den Entscheidungsträgern geteilt wurde, führte nach Kriegsende zu einer Reihe von Schulreformen in Deutschland. Die wichtigste Neuerung, die von der Zook-Kommission empfohlen wurde, war die Einführung von Gesamtschulen*. 1945 wurde ferner die UNESCO gegründet, der die BRD 1951 beitrat. Wenig überraschend machte bereits eine Generation später das Schlagwort „Bildungskatastrophe“ die Runde. Exemplarisch möchte ich den Geschichtsunterricht heranziehen. In der Hessischen Verfassung steht in Art. 56 explizit der Auftrag zur Desinformation und zur Zensur:

„Der Geschichtsunterricht muss auf getreue, unverfälschte Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein. Dabei sind in den Vordergrund zu stellen die großen Wohltäter der Menschheit, die Entwicklung von Staat, Wirtschaft, Zivilisation und Kultur, nicht aber Feldherren, Kriege und Schlachten. Nicht zu dulden sind Auffassungen, welche die Grundlagen des demokratischen Staates gefährden.“

Dementsprechend stellt der heutige Geschichtsunterricht die Entwicklungsphasen der Gesellschaft in den Vordergrund und blendet dabei die eigentliche Geschichte, die letztlich eine Geschichte von Konflikten ist, fast vollkommen aus. Ausgeblendet wird z.B. der Hintergrund der sog. Deutsch-französischen Erbfeindschaft, die in vier großen Kriegen ausgefochten wurde (1812 in der Völkerschlacht bei Leipzig, 1870 bei Sedan, 1914 vor Verdun und zuletzt 1945 vor der Berliner Reichskanzlei). Was war dieser Hintergrund? Es war die stetige Ostausdehnung Frankreichs seit dem Vertrag von Verdun im Jahre 843.

 

 

Von dem grau gefärbten Segment bis zu den heutigen Landesgrenzen, hat man sich militärisch einiges einverleibt, u.a. das Königreich Burgund, das von der Landkarte verschwunden ist. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Jahre 1812. Preisfrage: Auf wessen Kosten ging sie wohl? Davon hört man im heutigen Geschichtsunterricht nichts, oder wie die Franzosen sagen, „rien“. Geschichtliches Vergessen hat auch einen Vorteil, es dient der Völkerverständigung.

 

 

Nichts lernt man heute in der Schule über Caesars Eroberung Galliens, nichts lernt man über Napoleons Feldzüge, nichts lernt man über den Deutsch-Französischen Krieg, nichts lernt man über den Ersten Weltkrieg und selbstverständlich lernt man auch nichts über den Zweiten Weltkrieg. Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass dies auch völlig egal sei, denn es komme nur auf das Ergebnis an. Dass es jedoch nicht egal ist, zeigt der Umstand, dass die Geschichte von den Siegern geschrieben wird. Eine Seite fällt dabei zwingend unter den Tisch, die Seite der Verlierer. Ihre Interessen und ihre Argumente lösen sich in Luft auf. Für die Schüler wird nicht mehr nachvollziehbar, warum die eigentlich gekämpft haben. Es bleibt nur noch das Zerrbild von Gut und Böse. Die Gewinner sind die Guten, die Verlierer sind die Bösen. Das Motiv der Verlierer war die Boshaftigkeit. Sie haben zu Recht verloren.

Kommen wir zum nächsten Punkt, den MINT-Fächern. Nach Kriegsende haben sich die Amerikaner mal einfach so die deutschen Patente und die besten deutschen Wissenschaftler unter den Nagel gerissen. Die deutsche Luftfahrtindustrie wurde praktisch komplett eingestampft. Willy Messerschmidt, der das Strahltriebflugzeug bis zur Serienreife gebracht hatte, durfte z.B. hinterher nur noch Fertighäuser, Nähmaschinen, Bügeleisen, Kabinenroller u.Ä. bauen. Wissenschaftliche Forschung war bis 1955 auf vielen Gebieten schlichtweg verboten. Damit fielen an den Universtäten vorerst einige Fachgebiete weg.

Die letzten deutschen Akademiker, die noch im Kaiserreich ausgebildet worden waren, gingen 1965 in Rente. Zeitgleich nahm Brüssel die Arbeit auf, und auch das deutsche Wirtschaftswunder kam zum Erliegen. Die Generation, die in der Weimarer Republik ausgebildet wurde, ging 1980 in Rente. Die Schulgeneration des Dritten Reichs hatte ihren letzten Arbeitstag im Jahre 1992, ein Jahr bevor der Vertrag von Maastricht in Kraft trat. Die letzten Kinder Adenauers gingen 2010 von Bord. Die Generation, die sich aktuell aus dem Arbeitsleben verabschiedet, wurde in der Regierungszeit Helmut Schmidts ausgebildet. Das Totalversagen der Entscheidungsträger auf allen Ebenen, das wir aktuell überall erleben, oder zumindest beobachten können, hat seine Wurzel in dem Bildungssystem der Regierungsjahre Helmut Kohls. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Schulhoheit Ländersache ist.

Wir haben es de facto mit einer systematischen Verblödung der Jugend zu tun. Die einzige Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die übliche Frage nach Unfähigkeit oder Böswilligkeit, wobei ich hier allerdings noch eine dritte Kategorie einführen möchte, den Zwang. Nach Kriegsende bestand mit Sicherheit Zwang, seither könnten sog. „Sachzwänge“ bestehen. Dass das Leistungsdefizit aktuell besonders stark zugenommen hat, darf den Blick nicht verstellen. Bereits im Jahre 2000 gab es einen sog. „PISA-Schock„. Dass mit unserem Schulsystem irgendwas nicht stimmt, ist schon lange bekannt. Jeder, der in den Genuss kam, eine deutsche Schule besuchen zu müssen, weiß dies ohnehin. Der aktuelle Stresstest macht es allen lediglich deutlicher.

Meine eigene Schulzeit in Hessen unter den SPD-Regierungen Osswald/Börner, war anfänglich von den Reformen des Kultusministers von Friedeburg geprägt. Schon damals galt sein Werk als „umstritten“. Damals durften die noch Eltern wählen, ob sie ihre Kinder in der klassischen Mathematik, oder in der neuen Mengenlehre ausbilden lassen wollten. Meine Mutter entschied sich für „Einmaleins“. Wie alle anderen Kinder auch, wurde ich jedoch Opfer des neuartigen Deutschunterrichts, in dem Goethe und Schiller durch Brecht und Kafka ersetzt wurden. Geschichtsunterricht fand natürlich auch nicht wirklich statt, wie bereits oben ausgeführt. Alles in allem war die Schulzeit, abgesehen vom Tod der Eltern, die schlimmste Erfahrung meines Lebens. Schon damals wurde mir klar, dass Schüler, Soldaten und Strafgefangene etwas gemeinsam haben: Sie befinden sich in einem  „besonderen Gewaltverhältnis„.

* Eines dieser Projekte, die nach einem SPD-Politiker benannte Kurt-Schumacher-Schule, können wir in Karben, einer SPD-Mustergemeinde, bestaunen.