Die LTO berichtet immer noch über den Fall des Anwalts, der keiner werden durfte. Die Sache ist mittlerweile zur Revision beim Bayrischen Obersten Landgericht gelandet, der etwas sonderbar wirkenden Entsprechung des BGH im schönen Bayern. Dort wurde das Berufungsurteil kassiert und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Ich beziehe mich in der Folge auf die Argumentation aus dem erstinstanzlichen Urteil.

Ein wichtiger Aspekt war dabei unter anderem die Frage, ob ein Schaden entstanden ist, denn ohne Vermögensschaden kein Betrug. Dabei geht es auch nur um einen Schaden für die Kanzleien, nicht für die Mandanten. Ich mache es kurz: Natürlich ist den Kanzleien kein Vermögensschaden entstanden, denn es darf unterstellt werden, dass sie alle Leistungen bei ihren Mandanten abgerechnet haben. Das heißt allerdings nicht, dass Gerichte nicht einen solchen Schaden durch juristische Spitzfindigkeiten herbeizaubern können. Genau das ist hier geschehen. Die Dienstleistung wurde zwar erbracht, aber weil der Hochstapler sie nicht erbringen durfte, wurde sein Lohn von den Richtern zum Gefährdungsschaden erklärt. Ob sich die Gefahr realisiert, ist egal. Zur Begründung bemüht man die Rechtsprechung zum Anstellungsbetrug bei Beamten. Schon die Formulierung „ausnahmsweise“ wirkt völlig missglückt.

Nach Auffassung des Gerichts und im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.08.2019 (BGH NStZ 2020, 291) sind die für Beamte entwickelten Grundsätze im Rahmen des Anstellungsbetruges gemäß § 263 StGB ausnahmsweise auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden.

Nach meiner Rechtsauffassung ist das grob falsch und verstößt sogar gegen das Analogieverbot. Es mag zwar ein Bedürfnis bestehen, solche Fälle wie einen Betrug zu behandeln, aber der Vermögensschaden stellt insoweit keine Stellschraube dar, mit der man nach Belieben Strafbarkeitslücken schließen kann. Tagtäglich verlieren Anwälte in Deutschland verlorene Prozesse, aber ihren Lohn bekommen sie dennoch, weil nicht der Erfolg, sondern lediglich die Bemühung geschuldet ist. Für die Mandanten, die sich ein anderes Ergebnis gewünscht hatten, stellt sich allenfalls die Frage der Anwaltshaftung. Auf der anderen Seite gewinnen Anwälte tagtäglich in Deutschland gewonnene Prozesse. Die Mandanten sind zufrieden und von Anwaltshaftung ist natürlich auch keine Rede. Der Unterschied liegt oftmals nur darin, wer in der Kanzlei durch die Tür spaziert ist, ein Gewinner, oder ein Verlierer. Jura ist ein Selbstläufer. Das heißt natürlich nicht, dass ein Anwalt einen gewonnen Fall nicht in den Sand setzen kann, aber er muss sich dafür schon sehr ungeschickt anstellen.

Aus strafrechtlicher Sicht hätten wir hier eigentlich einen Missbrauch von Titeln i.S.v. § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn ihm nicht die Anwaltskammer auf Basis gefälschter Urkunden die Anwaltszulassung erteilt hätte. Der Rest sind arbeitsrechtliche Fragen, die nichts mit dem staatlichen Strafanspruch zu tun haben. Was hier im Ergebnis, abgesehen von der Urkundenfälschung und dem Imageschaden, übrig bleibt, ist ein kostenloser Arbeiter für die Kanzleien, für den man jahrelang Stunden abgerechnet hat. Das ist des Pudels Kern. Von einem Schaden kann hier keine Rede sein. Die haben Gewinn gemacht! Wer ist der Napp? Es ist nicht die Kanzlei, sondern die Mandanten, die für eine Leistung, die ein Hochstapler erbringen konnte, teures Geld bezahlt haben.

Nun ist es aber so, dass solche Fälle nicht irgendwelche Rechtsanwälte, so wie ich, entscheiden, sondern Richter. Diese Richter sehen es leider anders. Das bringt mich zur alten Leier: Andere Richter, andere Urteile! Wer andere Urteile haben will, muss nicht die Gesetze austauschen, sondern die Richter.