Mal wieder wurde der überregionale Bahnverkehr lahmgelegt. Natürlich steht die Frage im Raum, wie das überhaupt sein kann.

Früher, als die Zeit noch gut und alt war, durften die Lokführer nicht streiken, weil sie Beamte waren. Dass sie Beamte waren, machte Sinn, denn die Bahn war spätestens seit 1870 ein kriegswichtiges Beförderungsmittel und war daher für den Staat von existenziellem Interesse. Wer sich in Kriegszeiten für Streiks einsetzte, machte sich wegen Landesverrats strafbar. Prominentestes Beispiel war der SPD-Politiker und spätere Reichskanzler Friedrich Ebert.

Mit der deutschen Teilung wurde auch die Reichsbahn zwischen den beiden neuen deutschen Staaten aufgeteilt. Die Westbahn wurde zur Bundesbahn, während die Ostbahn den alten Namen beibehielt. Mit der Wiedervereinigung und der nachfolgenden Bahnreform ging der alte Name, wie übrigens auch beim Deutschlandsender, endgültig verloren. Mit der Gründung der Deutschen Bahn AG kam auch die Privatisierung. Im Zuge derselben wurden aus den Lokführern ganz normale Arbeitnehmer, die selbstverständlich auch ein ganz normales Streikrecht besitzen, was sie vom Beamtenstatus unterscheidet.

Nun könnte man natürlich einwenden, dass das Streikrecht bei der Privatisierung schlichtweg unterschätzt wurde. Vielleicht hätte man auf entsprechenden Selbstverpflichtungen bestehen sollen, aber so einfach ist nicht, denn an Art. 9 GG kommt man nicht so leicht vorbei. Gut, man hätte natürlich einen Abs. 4 einfügen können, aber das setzt eine entsprechende politische Weitsicht voraus. Die fehlte in der Vergangenheit, und darunter leiden wir heute. Ob bei der damaligen Regierung Kohl diesbezüglich Unfähigkeit oder Vorsatz in Betracht kommt, wird sich frühestens in 100 Jahren zeigen, wenn die Geheimarchive geöffnet werden, falls es jemals so weit kommt. Dass der Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland ein massiver Schaden zugefügt wurde, ist evident.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Lokführer dürfen streiken. Der Grund ist offenkundiges Politikversagen im Vorfeld.

 

Nachtrag (08.03.2024): Diesen Rundschau-Artikel muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn jede einzelne Einschätzung widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Das ist kein Zufall, sondern macht die Expertise aus. Experten kommen zu Ergebnissen, zu denen die Laien nicht kommen.