Die Berichterstattung über Gerichtsfälle ist bisweilen irritierend, weil mangels Sachkunde der Journalisten  oftmals der falsche Eindruck entsteht. So lautet eine der Überschriften in der Berichterstattung zum Verleumdungsverfahren gegen Gil O. bei Watson: „Zeugen widersprechen O. vor Gericht“.

Um den Fehler zu erkennen, muss man die Stellung des Angeklagten im Strafprozess und den Verlauf der Hauptverhandlung kennen. Der Angeklagte ist im Strafverfahren gegen sich selbst nach der Systematik der StPO formal kein Beweismittel. Das hat seinen Grund in der Abschaffung der Folter. Ausnahmsweise haben seine Einlassungen und Geständnisse jedoch laut herrschender Meinung Beweischarakter, sofern er sich freiwillig selbst belastet.

Die klassische Hauptverhandlung läuft ab, wie man sie aus dem Kasperle-Theater kennt. Das liegt daran, dass das Kasperle-Theater einer deutschen Hauptverhandlung nachgebildet wurde. Zunächst fragt der Vorsitzende „Seid ihr alle da?“, § 243 Abs. 1 StPO. Dann wird die Anklage verlesen. Dies macht heutzutage nicht mehr – wie früher – der Vorsitzende selbst, sondern der Staatsanwalt. Dann kommt die große Stunde des Angeklagten, denn es wird im großzügig die Möglichkeit gegeben, sich freiwillig selbst zu belasten, § 243 Abs. 5 StPO. Entscheidet er sich dazu, nicht zu schweigen, muss er sich den geschickten Fragen des Vorsitzenden stellen. Weigert er sich zumindest teilweise, diese Fangfragen zu beantworten, werden daraus negative Schlüsse gezogen. Der Richter darf an dieser Stelle den staatlichen Inquisitor spielen, sofern er durch seinen Belastungseifer nicht die Grenze der Befangenheit überschreitet. Erfahrene Richter haben das im Griff und lassen sich auch durch die Verteidigung nicht provozieren. Lässt sich ein Richter wirklich mal in die Befangenheit tricksen, ändert das auch nicht viel. Dann wird die Sache mit anderen Richtern neu verhandelt und das ganze Spiel geht von vorne los. Wichtig ist dabei natürlich auch, dass Strafverteidiger nach Verhandlungstagen bezahlt werden. Der Vorteil für die Angeklagten liegt darin, dass sie länger in der angenehmeren Untersuchungshaft sitzen, was ihnen ggf. auf die spätere Haftstrafe angerechnet wird. Im vorliegenden Fall spielt dies keine Rolle.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Zeugen widersprechen nicht dem Angeklagten. Eine Zeugenaussage ist keine Gegenrede. Die Zeugen werden „zur Sache“ vernommen, unabhängig vom Angeklagten. In diesem Fall decken sich die Zeugenaussagen nicht nicht seiner Einlassung. Dies war auch zu erwarten, denn ansonsten hätte die Staatsanwaltschaft niemals Anklage erhoben und es wäre auch kein Eröffnungsbeschluss ergangen. Insoweit läuft alles normal.

Aufgrund der hohen Voraussetzungen für die Eröffnung der Hauptverhandlung, liegt die Freispruchquote liegt in Deutschland bei ca. 3%. Die Vorstellung, dass es in Deutschland sog. „Starverteidiger“ gäbe, stammt aus vergangenen Zeiten, als die Schöffen in den Strafkammern am Landgericht noch in der Mehrheit waren. Am Amtsgericht gibt es bei Vergehen keine Schöffen, sondern nur den Strafrichter (Berufsrichter). Der kennt die Akte und er hat auch den Eröffnungsbeschluss gemacht. Sofern die Zeugen nicht umfallen, oder sich offenkundig in Widersprüche verwickeln, ist mit einer Verurteilung zu rechnen.

Bemerkenswert ist, dass der Angeklagte einen Screenshots eines LTO-Artikels bei Instagram gepostet hat. Dies könnte Teil der Verteidigungsstrategie sein. In den USA ist es z.B. eine moderne Vorgehensweise, die Laienjury über die Sozialen Medien zu beeinflussen, obwohl die Geschworenen davon offiziell keine Kenntnis nehmen dürfen. In Deutschland, wo zumindest mehrheitlich Berufsrichter entscheiden, sind solche Methoden nett aber wirkungslos.