Die interessante Frage, wer der Täter und wer das Opfer ist, stellte sich in Berlin anlässlich einer sog. „Klimablockade“.

Auf der einen Seite haben wir die junge nette dynamische Aktivistin, die hier möglicherweise gerade eine Nötigung begeht. Auf der anderen Seite haben wir den reaktionären rücksichtslosen Autofahrer, der sich vermutlich – wie jeder Mann – einen Dreck um das Klima schert und einfach langsam weiterfährt, was natürlich auch eine Nötigung darstellen kann, den gefährtlichen Eingriff in den Straßenverkehr mal außen vor. Die Bewertung hängt nicht nur vom Gewaltbegriff ab, sondern auch noch von der Verwerflichkeit der Handlung. Daneben haben wir auch noch die Notwehrpoblematik, denn vielleicht ist das Handeln des Autofahrers gerechtfertigt, und wenn nicht, dann wäre auch noch ein Erlaubnistatbestandsirrtum, ein Doppelirrtum, oder zumindest ein Verbotsirrtum denkbar. Vielleicht ist die sympathische Aktivistin auch noch wegen eines Nostandes entschuldigt, denn sie ist gerade im Begriff die Welt zu retten. Darf man gegen Held:innen überhaupt Notwehr üben? Mein Gott ist das kompliziert! Ein Glück, dass ich keine Anfängerklausuren schreiben muss.

Zu meiner Studienzeit waren das Fälle aus der „Kampfzeit“ der 68er auf ihrem Marsch durch die Institutionen, unter denen sich unsere Generation nichts mehr vorstellen konnte. Warum setzte sich Klaus Laepple vor eine Straßenbahn? Hatte er nichts besseres zu tun? Heute ist es jedoch völlig anders. Diese ganzen trockenen humorlosen Schulfälle, die niemanden interessiert haben, außer den Professoren, die sich an ihre APO-Zeit zurückerinnert fühlten, sind mittlerweile wieder mit Leben erfüllt. Student:innen können heute hautnah dabei sein, zuerst auf der Straße als Aktivist:innen zur Rettung der Erde vor dem Klimatod und im Anschluss in der Klausur für den kleinen Schein im Strafrecht, wo sie ein Plädoyer für sich selbst halten dürfen, im Gutachtenstil.