Der neue hessische Justizminister Dr. Roman Poseck steht in der Kritik, denn in Frankfurt wurden mehrere Tatverdächtige, im Raum stehen versuchte Tötungsdelikte, wegen Überlastung der Gerichte aus der U-Haft entlassen. Dabei sollte klar sein, dass die Ursache für diesen Vorfall auf seinen Vorgänger zurückgeht und er das Symptom geerbt hat. Bevor er Justizminister wurde, war er der Präsident des OLG Frankfurt und hat bereits vor einer Überlastung der Gerichte gewarnt. Das interessiert natürlich niemanden mehr, und schon gar nicht die Opposition, die als Faust’scher Mephisto alles stets verneint.

Was letztlich geschehen ist, ergab sich zwingend aus den §§ 121, 122 StPO. Offenbar ist es zu einer Überprüfung durch das OLG gekommen, das die Fortdauer der U-Haft abgelehnt hat. Dass diese Richter einen Fehler gemacht haben, ist natürlich pauschal ausgeschlossen. Richter machen keine Fehler.

Nun kann man sich natürlich fragen, wieso die Justiz wegen Parkverstößen und sog. „Hasskriminalität“ kein Pardon kennt, auf der anderen Seite jedoch bei Kapitalverbrechen gefühlt immer häufiger ein Auge zurückt. Das erklärt sich durch den Ermittlungs- und Verfolgungsaufwand. Eine Hauptverhandlung gegen vier Angeklagte mit vier Verteidigern wegen versuchten Totschlags produziert mehrere Leitzordner mit Akten, die zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern im Ermittlungsverfahren hin- und hergeschickt werden. Dann wird Anklage erhoben, auf bis zu 100 Seiten Text, worüber das Gericht im Zwischenverfahren zu entscheiden hat. Dann muss die Hauptverhandlung terminiert werden, die ggf. Monate lang dauern kann. Dafür werden Gerichtsräume benötigt, deren Anzahl selbstverständlich begrenzt ist. Selbstverständlich könnte man sich den ganzen Aufwand sparen und solche Fälle im sog. Kangoroo Court – auch „kurzer Prozess“ genannt – aburteilen, doch dann wäre die Rechtsstaatlichkeit gefährdet. Denn eines muss man sich klar machen: Wenn man selbst vor Gericht steht, freut man sich über den Aufwand, der heute betrieben wird. Das wird häufig an Stammtischen übersehen.

Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes: Die Gerichtsgebäude stehen am selben Ort seit über 100 Jahren und haben bislang ihren Zweck erfüllt. Auch das Justizpersonal hat bislang ausgereicht, lediglich die Gerichtsferien wurden abgeschafft. Das Problem ist auch nicht die postmoderne Version der Beulenpest, sondern es ist die zunehmende Verrohung der Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der stetig steigenden Armutsquote immer mehr an die Zustände in den USA angleicht. Dieses Phänomen möchte man nicht gerne ansprechen, denn es könnte einige politische Entscheidungen in Frage stellen. Das Problem lässt sich leider nicht durch das Frisieren von Statistiken in den Griff bekommen. Mein Tipp: Auf das Gute im Menschen vertrauen.