Die LTO berichtet über eine bemerkenswerte Entscheidung des BGH zur versuchten Anstiftung.

Der Fall ist simpel: Zwei böse Männer beschließen, dass Nachbar N ein „Unglück“ widerfahren solle, idealerweise noch vor dem Weihnachtsabend 2021. Sie begeben sich auf die Suche nach einem Auftragskiller, werden jedoch aufgrund des Fachkräftemangels nicht fündig. Die Sachverhaltsdarstellung der LTO endet mit dem Satz: „Das gemeinsame Vorhaben wurde daraufhin erst einmal abgeblasen“. Es fehlt jedoch zwingend noch eine wichtige Information: Entweder wurden die Beiden verpfiffen, oder sie waren so unvorsichtig, ihre Planungen der Staatsanwaltschaft anzuvertrauen. Vielleicht dachten sie auch, möglicherweise anwaltlich beraten, mit dieser „unwiderlegbaren Einlassung“ gute Karten zu besitzen. Vor dem LG Magdeburg sind sie damit auch noch durchgekommen. Dort kamen die Richter nach einem Blick in § 30 StGB zu dem Ergebnis, dass Abs. 1 nicht verwirklicht sei, weil die Angeklagten lediglich den Markt sondiert hatten. Für Abs. 2 reiche es nicht, weil die beiden Angeklagten zu diesem Zeitpunkt noch keinen konkreten Tatablauf vor Augen hatten.

Der BGH sah die Sache anders: Es macht keinen Unterschied, in welcher Reihenfolge die Angeklagten vorgegangen sind. Ob sie zuerst die Tat planen und danach den Killer anheuern, oder umgekehrt, ist egal, so lange die Wahrscheinlichkeit steigt, dass N getötet wird. § 30 StGB als Gefährdungsdelikt.

„Schon die Willensbindung der Beteiligten begründet eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstiftungsversuch und die Begehung der Haupttat wahrscheinlicher macht.“

Dies mag zunächst wie eine Mischung aus verbotener Analogie und Gesinnungsstrafrecht wirken, aber der BGH darf das. Die Rechtsprechung des BGH steht in der Tradition der Oberappelationsgerichte. Früher, als die Zeit noch gut und alt war, wurde von den Untergerichten die Fälle noch so ausgeurteilt, wie es im wahrsten Sinne des Wortes im Gesetz stand (sog. „Rechtspositivismus„). Widersprach das Ergebnis offenkundig dem Rechtsgefühl, konnte das Oberappelationsgericht Gerechtigkeit im Einzelfall herstellen. Der BGH setzt diese Tradition fort, indem man bislang völlig unbekannte Rechtsinstitute vom Himmel fallen lässt, Interpretationsmöglichkeiten findet, auf die in den letzten 150 Jahren noch niemand gekommen ist, oder indem man aus eigener Kraft das Recht fortbildet, was zwar auf den ersten Blick wie eine offenkundige Durchbrechung der Gewaltenteilung aussieht, nicht jedoch auf den zweiten Blick.

Und so gelang es dem BGH in seiner unendlichen Weisheit mal wieder, auch in dieser lückenhaften Fallkonstellation, haarscharf alle juristischen Untiefen zu umschiffen und eine kluge Lösung zu finden, die der kriminellen Energie der beiden bösen Männer gerecht wird. Dass es Examenskandidaten gibt, die ähnlichen Mut besitzen, bezweifle ich nicht. Es fehlt ihnen allenfalls am staatlichen Freibrief. Wenn sie im Examen diesen Mut beweisen, kann es klappen.

P.S.: Wo wir gerade beim Themenbereich Ergebniskorrektur sind, möchte ich auch noch auf einen weiteren sog. „Kunstgriff“ des BGH hinweisen, als er im „Staschinski-Fall“ einen volldeliktisch handelnden KGB-Auftragskiller zum Gehilfen erklärte. Ein Examenskandidat hätte sich damit 0 Punkte eingefangen. Andersrum geht es natürlich auch: Im Mauerschützenprozess wurden Soldaten trotz Schießbefehls vom BGH zu volldeliktisch handelnden Tätern erklärt.

Nachtrag (12.02.2024): Thematisch dazu passend, ist auch diese Betrugs-Konstellation. Wobei man sich allerdings fragen kann, ob es sich dabei lediglich um ein zivilrechtliches Problem handelt, denn der Vertrag war offenkundig nichtig. Beim strafrechtlichen Betrug ist ein Vermögensschaden erforderlich. Ob er auch vorliegt, wenn kein Anspruch auf die Leistung besteht, könnte man zumindest diskutieren. Kurzfassung: Der BGH bejaht den Vermögensschaden.