In Berlin hat „das Landgericht„, natürlich nur eine Kammer, ggf. ein Einzelrichter, die Nötigung durch Klimakleber – offenkundig entgegen der vom BVerfG abgesegneten sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH – verneint. Die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. Die Verzögerung entspreche üblichen Staus. Im Übrigen könnten sich Autofahrer durch Einplanen von mehr Zeit, oder Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel vor Nachteilen schützen.

Das ist natürlich auf mehreren Ebenen komplett daneben, sogar erschreckend daneben. Erstens liegt bei den Klimaklebern gerade keine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts vor, sondern um eine Sabotage der Infrastruktur. Die Russen können sich in der Ukraine übrigens auch nicht auf die Versammlungsfreiheit berufen, aber das nur nebenbei. Zweitens fallen Staus unter höhere Gewalt, vorsätzliche Straßenblockaden jedoch nicht. Drittens muss das Recht dem Unrecht nicht weichen. Wer auf der Straße zufällig Opfer einer Belästigung durch Dritte wird, trägt keine Mitverantwortung, oder gar die Alleinschuld, nur weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Man kann es zwar antezipieren, aber man muss nicht. Stichwort: Vertrauensgrundsatz. Selbst wenn alle Autofahrer den Vorschlag befolgen und fernbleiben, wäre es eine versuchte Nötigung, und die ist auch strafbar, vgl. § 240 Abs. 3 StGB.

Die Ausgangsfrage (Strohmann) lautete jedoch, ob hier Rechtsbeugung vorliegt? Das ist nicht der Fall, denn die Unvertretbarkeit der Entscheidung allein, begründet noch keine Strafbarkeit. Im „Fall Schill“ führte der BGH dazu aus:

Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st.Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.).

Der Richter muss sich einfach nur dumm stellen, und es wird ihm kein diesbezüglicher Vorsatz nachzuweisen sein. Man wird sich ja wohl mal irren dürfen.