Wie das ZDF berichtet, ist eine Touristin nach einem Angriff gestorben. Wie man später erfährt, liegt andere Frau schwer verletzt im Krankenhaus. Ein Sexualdelikt steht zwar im Raum, dies ist derzeit jedoch nicht belastbar. Schloss Neuschwanstein zählt zu den berühmtesten und meist besuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. In der Vergangenheit kamen mitunter fast eineinhalb Millionen Besucher pro Jahr zu der Sehenswürdigkeit.

Die BILD ist dem „Killer“ gefolgt und hat bereits den Tatort in Augenschein genommen. Als mögliche Straftaten stehen im Raum, offenbar im Einklang mit der Istanbul Convention nach Wichtigkeit sortiert: Ein Sexualdelikt, Mord und Mordversuch.

Juristisch ist Beurteilung sehr einfach: Es handelt sich um eine Tat im prozessualen Sinn. Diese richtet sich nach dem schwersten Delikt. Das schwerste Delikt ist hier Mord (Merkmal: Verdeckungsabsicht). In Tateinheit dazu stehen versuchter Mord und ggf. das Sexualdelikt, sofern dieses zwischenzeitlich „belastbarer“ geworden ist. Diese Beurteilung ändert sich auch nicht, ganz egal, ob der Beschuldigte die Wahrheit sagt, das Märchen vom tragischen Unfall erzählt, oder zum Tatvorwurf schweigt. Natürlich wird am Ende im Zweifel Aussage gegen Aussage stehen, aber das hindert einen erfahrenen Richter nicht daran, der Zeugin zu glauben. Weil das Gericht keine Zweifel an ihrer Darstellung haben wird, wird es auch kein „in dubio pro reo“ geben. Nichts desto trotz wird sich die Hauptverhandlung, die man mühelos in einem Vormittag durchziehen könnte, über mehrere Wochen hinziehen. Es werden diverse Sachverständige gehört, Physiker, Psychologen, Mediziner, stundenlange Plädoyers gehalten, was allesamt sehr viel Zeit und Geld kosten wird.

Prozesstechnisch interessant könnte die Sache allenfalls werden, wenn es sich bei dem Beschuldigten um einen amerikanischen Soldaten handelt, denn die werden üblicherweise vor ein US-Militärgericht gestellt. Droht dem Angeklagten in den USA die Todesstrafe, kann dies sogar dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft die Amtshilfe verweigert und beispielsweise keine DNA-Proben zur Verfügung stellt. Man will sich nicht die Hände schmutzig machen.

 

Update (20.02.2024): Mittlerweile hat die Hauptverhandlung begonnen. Der Angeklagte ließ durch seinen Verteidiger ein Statement verlesen, in dem er den Tatvorwurf offenbar eingeräumt hat. Dass der Sturz aus 50m Höhe in eine Schlucht „gefährlich, aber nicht tödlich“ sein soll, glaubt er vermutlich selbst nicht – so lautete zumindest die Standardformulierung meines Ausbilders in solchen Fällen. Für die Hauptverhandlung, die man bei dieser Sachlage auch in einem Vormittag erledigen könnte, wurden 6 Verhandlungstage angesetzt. Wenn die deutsche Justiz eines hat, dann sind es unbegrenzte Ressourcen.