Heute möchte ich einen aktuellen Fall aus Berlin zum Anlass nehmen, um einige der Mordmerkmale zu erläutern, denn wie man der Berichterstattung entnehmen kann, konnte der Ermittlungsrichter keine solchen erkennen.

Gemäß § 211 Abs. 2 StGB entspricht dem Tätertyp „Mörder“, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

Als ich dies während meines Studiums bei meiner Mutter (Baujahr 1928) zum Besten gab, schaute sie mich verständnislos an und frage rhetorisch, was wir denn an der Uni für einen Blödsinn lernten. Mord sei die geplante Tötung! Das stimmte sogar, allerdings nur bis ins Jahr 1941. In der Urfassung des StGB war Mord in der Tat als geplante („mit Überlegung“) Tötung definiert. Es war die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, den Tatplan nachzuweisen. Da der sich Nachweis der „überlegten Handlung“ jedoch bisweilen sehr schwierig gestaltete, entschied man sich dazu, den Tatbestand an die Begehungsweise zu koppeln. Dadurch entstanden Lücken. Eine dieser Lücken können wir im Berliner Ausgangsfall erkennen. Geht man davon aus, dass der Täter dem Opfer aufgelauert hat, dann kann man darin durchaus ein überlegtes Vorgehen erkennen. Nach der Urfassung des Paragraphen läge damit in jedem Fall der Anfangsverdacht des Mordes vor. Demnach hätte die Untersuchungshaft nicht wegen Totschlags, sondern wegen Mordes angeordnet werden müssen.

Warum der Berliner Ermittlungsrichter höchstwahrscheinlich keinen Fehler gemacht hat, zeigen folgende Überlegungen:

Von Katalogtaten des § 211 Abs. 2 StGB kommen hier lediglich drei in Betracht: Grausamkeit, Heimtücke und niedrige Beweggründe.

Nun könnte man meinen, das Durchtrennen der Gurgel mit einem Messer, manche wollen sogar eine Enthauptung beobachtet haben, sei per se grausam. Dazu muss man sich jedoch klar machen, dass jede Tötung irgendwie grausam erscheint. Das gilt insbesondere für die Tötung mit einem Messer, die zwangsläufig blutig abläuft. Da die Verletzung in der Natur der Sache liegt, wird die Grausamkeit bei Messermorden in der Praxis nur höchst selten bejaht.

Wie sieht es mit der Heimtücke aus? Wurde die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, z.B. durch einen Überraschungsangriff, ausgenutzt? Wenn man der Berichterstattung folgt, wohl eher nicht. Das Opfer war sich darüber im Klaren, dass es in Lebensgefahr schwebt und, dass der Täter jederzeit zuschlagen kann. Genau das ist auch der Anknüpfungspunkt für die Vorwürfe gegen die Behörden. Es sei angeblich absehbar gewesen, deshalb hätten sie handeln müssen. Von einer Arglosigkeit des Opfers auszugehen, dürfte hier schwierig werden.

Last but not least hätten wir noch die „niedrigen Beweggründe“. Es zeugt von einer verachtenswerten Gesinnung, seine Ex-Partnerin umzubringen, weil man von ihr verlassen wurde, könnte man meinen. Insoweit spielt natürlich auch der Zeitgeist eine Rolle, der dem verlassenen Mann eine moralische Duldungspflicht auferlegt. Nicht so jedoch nach Auffassung unserer Gerichte. Es ist alte Tradition beim Bundesgerichtshof, dem in seiner Ehre gekränkten Verlassenen einen „berechtigten Zorn“ zuzubilligen. Damit wird der scheinbare Mord juristisch zum Totschlag. Was die Bevölkerung denkt, ist belanglos.

 

Nachtrag: Verfehlt ist übrigens die Aussage unserer SPD-Innenministerin „Das sind Morde! Wir müssen das klar als Femizide benennen. Frauen werden umgebracht, weil sie Frauen sind„. Erstens sind es regelmäßig keine Morde, weil die Rechtsprechung das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ bewusst und gewollt so interpretiert. Zweitens werden sie nicht umgebracht, weil sie Frauen sind, sondern weil sie in einer Beziehung mit Männern leben, in deren Kopf seit ihrer Kindheit das falsche Programm abläuft, weil es ihnen so eingetrichtert wurde, nicht nur von ihren Vätern, sondern auch von ihren Müttern.

Update (25.05.2022): Unsere öffentlich-rechtliche Propagandamaschine hat sofort reagiert und bereits eine Woche später die BBC-Serie „Countdown to Murder“ freigeschaltet, in der offenbar ausschließlich Frauen die Opfer sind. Das Tatmotiv in der ersten Folge war allerdings nicht die verletzte Ehre des Mannes, denn es sollen natürlich weder Stereotype noch typische Vorurteile bedient werden, sondern die unerwünschte Schwangerschaft des Opfers. Wer sich fragt, ob die Verantwortlichen ernsthaft glauben, dass sie damit mögliche Täter erreichen, hat das Konzept des Aktionismus nicht verstanden.

Update (26.05.2022): Es geht natürlich auch andersrum, wie diese Meldung zeigt.