In einem Zeitalter, in dem sich sogar Beschuldigte von Tötungsdelikten diskriminert fühlen dürfen, stellt sich die Frage nach der Erfolgswahrscheinlichkeit von nichtssagenden Täterbeschreibungen. Die Älteren unter uns werden sich bei dem folgenden Text an den Fahndungsaufruf von Loriot erinnert fühlen:

„Der als 18 bis 20 Jahre alter Mann beschriebene Tatverdächtige flüchtete demnach zu Fuß mit einem Begleiter und soll zwischen 1,70 und 1,80 Meter groß sein. Laut Zeugen trug der schmächtige Mann eine Jeans mit Schlag, ein T-Shirt und einen Anglerhut. Die Polizei fahndet nach ihm und sucht weitere Zeugen. Hinweise nimmt die Polizei unter der Nummer xxxx-xxx-x entgegen.“

Natürlich war bei der gesamten Berichterstattung, die den Täter mit keinem einzigen Wort erwähnte und nur vom Opfer sprach, von Anfang an klar, dass es sich bei ihm nicht um eine typische „Kartoffel“ handelt, denn sonst wäre schon längst Nazi-Alarm geschlagen worden. Die BILD-Zeitung war natürlich live vor Ort als der Tatverdächtige, ein russischer Staatsbürger, dem Haftrichter vorgeführt wurde. Wie man an der Überschrift erkennen kann, würden die Journalisten vermutlich Anklage wegen Mordes erheben und lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung fordern, wenn sie es könnten.

Das juristische Problem dieses Falles wird jedoch sein, dem Tatverdächtigen den Tötungsvorsatz bei dem Faustschlag nachzuweisen. Sollte dies nicht gelingen, was in solchen Fällen die Regel ist, verbleibt nur die Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Spätestens dann kommt die zweite große der Stunde für die BILD-Zeitung, wenn sie empört die deutsche „Kuscheljustiz“ kritisiert. Da der Tatverdächtige jedoch bereits einschlägig vorbestraft ist und das Opfer einer besonders geschützten Gruppe angehörte, dürfte hier allerdings im Falle der Verurteilung keine allzu milde Strafe zu erwarten sein.