Der Spiegel macht Werbung für Geisteswissenschaften, denn Bedarf nach sog. „Experten“ könne quasi über Nacht entstehen.

Mit der Absicht, eines Tages den ehrbaren Beruf des Rechtsanwalts zu ergreifen, war natürlich auch ich gezwungen, Rechtswissenschaften zu studieren, die allgemein den Geisteswissenschaften zugeordnet werden. Warum ich dies für unzutreffend halte, später. In den Vorlesungen wurde ich durch die Vortragenden des Öfteren an ein Bibelzitat erinnert:

Seht, die Vögel unter dem Himmel, sagt Jesus, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. (Matthäus 6,26)

Diese Beobachtung macht einen Mechanismus deutlich, der für die Geisteswissenschaften typisch ist. Mit einem entsprechenden Abschluss wird man entweder Taxifahrer, oder man bildet die nächste Generation aus. Abhilfe für dieses Dilemma wurde jedoch glücklicherweise in den USA geschaffen. Durch die Einführung sog. „Bullshit Jobs“ wurde es möglich, auch arbeitslose Geisteswissenschaftler zu beschäftigen, für die am Arbeitsmarkt bislang kein Bedarf bestand. Wie der Spiegel richtig anmerkte, kann ein Bedarf nach entsprechendem Personal wirklich über Nacht entstehen. Erforderlich ist einfach nur ein gesellschaftlicher Themenwechsel, der offenkundig von der Regierung nach Belieben herbeigeführt werden kann. Gelangen z.B. apokalyptische Endzeitsekten an die Macht, werden von ihr nicht nur sog. „Experten“ für die Erzeugung von Massenhysterie gesucht, sondern auch sog. „Experten“ zur Unterdrückung kritischer Stimmen. Last but not least benötigt man natürlich auch noch sog. „Experten“, die notfalls aus Unfähigkeit oder Vorsatz passende Gutachten erstellen, um die Narrative zu stützen. Es geht sogar noch eine Stufe mehr: Man kann zur eigenen Entlastung auch noch sog. „Experten“ beauftragen, herauszufinden, warum sich sog. „Experten“ so oft irren. Am Ende steht die perfekte Expertokratie, wo es für jede Dummheit einen sog. „Experten“ gibt, der sie verzapft. Die kann man dann nach Belieben als Posterboy, -girl, oder was auch immer, vor seine Kampagne spannen. Was heißt das im Endeffekt? Es besteht Bedarf nach glaubhaften Begründungen für kompletten Blödsinn, der normalen Menschen nicht mehr zu vermitteln ist. Es besteht Bedarf nach Begründungen, die sich quasi aus sich selbst ergeben. Es besteht Bedarf nach Autoritäten. Die sollen Laien bitte nicht anzweifeln.

Wenn Sie eine Autorität (sog. „Experte„) werden wollen, die Kraft ihrer „Expertise“ unangreifbar ist, dann studieren Sie die Wissenschaft der Geister. Dort vermitteln man Ihnen, was große Geister zu unglaublich wichtigen Themen von sich gegeben haben. Natürlich wurde nach Zitierfähigkeit vorselektiert.

Exkurs: Warum die Rechtswissenschaft keine Wissenschaft ist, und schon gar keine Geisteswissenschaft.
Im Jahre 1847 hielt der damalige Staatsanwalt Julius von Kirchmann in Berlin den Vortrag „Die Wehrlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft„. Seine Kernthese lautete, dass die Rechtswissenschaft lediglich die Rechtsprechung erläuternd begleite und sich ihre umfangreichen Erkenntnisse, die man in Bibliotheken bestaunen könne, mit einer einzigen Gesetzesänderung in Luft auflösten. Zudem beschäftige sich die Rechtswissenschaft überwiegend mit pathologischen Fällen, sie lebe demnach von Fehlurteilen, wie ein Wurm von morschem Holz. Kurz darauf wurde der arme Mann entlassen. Das kann sog. „Experten“ leider auch passieren, wenn sie zu unerwünschten Ergebnissen kommen.

Auch ich vertrete die Ansicht, dass die Rechtswissenschaft keine Wissenschaft ist, da es kein übergeordnetes Recht gibt, das sich erforschen lässt. Wenn es überhaupt ein menschliches Konstrukt gibt, dann ist es das Recht. Dass es sich dabei um eine sog. „Pseudowissenschaft“ handelt, zeigt bereits der Umstand, dass die Kategorien nicht „richtig“ und „falsch“ lauten, sondern „vertretbar“ und „unvertretbar“. Es fehlt damit an der für eine Wissenschaft nötige Falsifizierbarkeit, was im Übrigen für alle Geisteswissenschaften gilt – im Volksmund würde man deren Erkenntnisse als „Gelaber“ bezeichnen. Was die Jurisprudenz allenfalls zu leisten vermag, ist die Ausbildung von Rechtsanwendern bei der Bedienung des Rechtssystems das in Deutschland wie ein Computerprogramm funktioniert. Am Ende steht eine Prüfung, das in etwa vergleichbar ist, mit dem Abschlusstest eines Microsoft Professionals. Ob das man deutsche Rechtssystem bedienen kann, oder irgendwelche Microsoft Produkte, macht in höherem Sinne keinen Unterschied. Ironischerweise benutzt man diese sogar, um die entsprechenden Klagen und Anträge zu verfassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Man könnte die Rechtsanwendung auch ohne signifikante Verluste an den Fachhochschulen lehren. Der Dreiklang, „Anspruch entstanden, weggefallen, einredebehaftet“, nimmt daran keinen Schaden.