Im Grundgesetz sind zwei Möglichkeiten vorgesehen, wie man einen Kanzler ablösen kann. Die dritte Möglichkeit, die Ablösung wegen Amtsunfähigkeit, z.B. aufgrund von Geistesschwäche (Erinnerungslücken), lasse ich hier bewusst außer Betracht.

Die erste Möglichkeit ist die sog. „Vertrauensfrage“, geregelt in Art. 68 GG. Danach kann sich der Bundeskanzler seiner parlamentarischen Mehrheit in einer namentlichen Abstimmung, sog. „Hammelsprung“, versichern. Von dieser taktischen Möglichkeit haben bislang nur Helmut Kohl und Gerhard Schröder Gebrauch gemacht. Keinen Gebrauch davon gemacht haben z.B. Willy Brandt, als es um die Ostverträge ging, und Angela Merkel, als es um die Entscheidung zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen ging. Dies dürfte jedoch nicht an unsicheren Mehrheitskonstellationen im Bundestag gelegen haben, sondern schlichtweg daran, den Hammelsprung und den damit verbundenen möglichen Gesichtsverlust der eigenen Hinterbänkler zu vermeiden, denn die möchten natürlich auch weiterhin möglichst viele Direktmandate gewinnen. Die Chancen sinken, wenn man sich hinter unpopuläre Kanzler stellt.

Da das Stellen der Vertrauensfrage freiwillig erfolgt, nützt es wenig, wenn der Vorschlag von der Opposition kommt. Genau genommen, ist der Vorschlag sogar borderline lächerlich, neudeutsch „Mackergeste„, denn die Opposition hat ein viel schärferes Schwert, das konstruktive Misstrauensvotum gem. Art. 67 GG. Bereits die Nummerierung zeigt, wo die Musik wirklich spielt. Beim konstruktiven Misstrauensvotum werden Nägel mit Köpfen gemacht.

Das konstruktive Misstrauensvotum erfordert jedoch nicht nur, dass der Bundestag dem Kanzler die Mehrheit verweigert, es muss auch zugleich ein neuer Kanzler gewählt werden. Das ist aktuell schwierig, weil dazu die Stimmen der Unberührbaren nötig wären. Das ist übrigens auch der Hauptgrund, warum sie dazu erklärt wurden. Es geht in einer Demokratie immer nur darum, die Kräfte des politischen Gegners zu spalten. Die Opposition ist aktuell in „berührbar“ und „unberührbar“ gespalten. Der Trick ist nicht neu. Auch die SED/PDS/Linkspartei galt zu Zeiten Kohls als „unberührbar“ und wurde vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Zeiten haben sich geändert. Man hat Legislative, Exekutive und Judikative unterwandert, und sich für harmlos erklärt.

Warum ist es so schwer, einen unpopulären Bundeskanzler loszuwerden? Dies hat historische Gründe. Bis 1955 galt in der BRD Besatzungsrecht. Die Bundesregierung, die damals noch in der Enklave Bonn residierte, stand unter dem Veto-Vorbehalt der Alliierten Hohen Kommission. Kurt Schumacher nannte Konrad Adenauer daher auch „Kanzler der Alliierten„. Insoweit lag es nahe, dass sich die Alliierten ihren Wunschkanzler nicht so einfach abwählen lassen wollten. Dies galt insbesondere für Adenauer, der bereits nach dem Ersten Weltkrieg von der Teilung Deutschlands träumte. Einen idealeren Kanzler, der die französischen Kriegsziele aus dem Ersten Weltkrieg mit der Truman-Doktrin vereint, hätte man sich gar nicht vorstellen können. Dieser Mann musste einfach so lange, wie möglich, im Amt gehalten werden. Der Machterhaltungsmechanismus, der für ihn geschaffen wurde, gilt noch heute.

Konklusion: Man kann guten Gewissens davon ausgehen, dass diese Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben wird. Auch die geplante Urabstimmung bei der FDP dürfte wenig bewirken. Entweder das Ergebnis fällt so aus, wie gewünscht, oder man findet einen Weg daran vorbei.