Heute möchte ich eine BGH-Entscheidung besprechen, deren Sachverhalt kinoreif ist, und zugleich die alter Händlerweisheit erhärtet, dass jeden Tag ein Dummer aufstehe, man müsse ihn nur finden. Merke: Derselbe Fall hätte sich auch auf dem Kunst- oder Immobilienmarkt ereignen können.

Nach dieser Vorrede, zum Sachverhalt:

Ende des Jahres 2012 erwarb der Angeklagte einen unfallbeschädigten Porsche Carrera GT 980, den er in der Folgezeit reparieren ließ. Dabei wurden die Reparaturarbeiten ‒ wie dem Angeklagten jedenfalls teilweise bewusst war ‒ nicht in jeder Hinsicht fachgerecht ausgeführt. Nachdem der Angeklagte das Fahrzeug, das infolge der mangelhaft durchgeführten Reparatur einen Wert von maximal 150.000 € besaß, im Internet als Privatverkauf für 299.500 € angeboten hatte, meldete sich der Zeuge W. für die Firma L. (im Folgenden Firma L.) als Kaufinteressent und führte am 10. Dezember 2014 telefonisch Kaufverhandlungen mit dem Verkaufsleiter des Angeklagten.

Der Verkaufsleiter einigte sich mit dem Zeugen W. schließlich darauf, dass die Firma L. das Fahrzeug zu dem inserierten Preis von 299.500 € erhalten sollte. Der Zeuge W. war sich darüber im Klaren, dass der Verkauf „im Kundenauftrag“, mithin für einen ihm nicht bekannten Dritten erfolgen sollte. Der Angeklagte hatte unterdessen aufgrund der großen Nachfrage erkannt, dass sich für das Fahrzeug auch bei einem weitaus höheren Preis noch kaufwillige Interessenten finden würden. Als der Verkaufsleiter ihm berichtete, dass er dem Zeugen W. das Fahrzeug zugesagt habe und ihm einen schriftlichen Kaufvertrag übersenden wolle, unterband der Angeklagte dies und bot das Fahrzeug stattdessen im Internet nunmehr für 379.000 € an. Nachdem der Verkaufsleiter auf Weisung des Angeklagten auch vom Zeugen W. den höheren Preis verlangt hatte, schaltete die Firma L. einen Rechtsanwalt ein, der mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen drohte.

Der Angeklagte, der insbesondere über das Schadensersatzverlangen sehr verärgert war, entwickelte daraufhin den Plan, den Zeugen W. (bzw. die Firma L.) durch Einschaltung eines Strohmanns als angeblich verkaufs- und erfüllungsbereitem Eigentümer des Fahrzeugs von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn oder seine Gesellschaft abzuhalten und den Zeugen möglichst zugleich um den Kaufpreis zu bringen. Dass es tatsächlich zur Zahlung des Kaufpreises kommen könnte, hielt der Angeklagte für wenig wahrscheinlich, aber durchaus für möglich.

Der Angeklagte und der als Strohmann auftretende Bekannte ‒ ein erwerbsloser, von staatlichen Leistungen lebender Drogenkonsument ‒ setzten absprachegemäß einen auf den Strohmann als Verkäufer lautenden Kaufvertrag auf, den sie am 14. Dezember 2014 per Telefax an die Firma L. übersandten. Der Zeuge W. , der davon ausging, dass es sich bei dem Strohmann um den bei den bisherigen Verhandlungen noch nicht namentlich genannten Eigentümer und Verkäufer des Fahrzeugs handelte, der willens und in der Lage sei, den Vertrag zu erfüllen, unterschrieb seinerseits die Vertragsurkunde namens der Firma L. und sandte sie zurück. Am 16. Dezember 2014 versuchte der Zeuge W. vergeblich, das Fahrzeug, das der Angeklagte zuvor bereits für 378.000 € an einen anderen Interessenten verkauft hatte, beim Angeklagten abzuholen. Dessen ungeachtet überwies die Firma L. aufgrund eines Kommunikationsversehens den vereinbarten Kaufpreis von 299.500 € auf ein Pfändungsschutzkonto des Strohmanns. Da der Zeuge W. den Strohmann für den Vertragspartner hielt, nahm die Firma L. in der Folge den Angeklagten bzw. seine Gesellschaft nicht weiter in Anspruch. Da es dem Strohmann in der Folgezeit nicht gelang, über das Geld auf seinem Konto zu verfügen, wurde der Kaufpreis abzüglich eines von einer Pfändung erfassten Teilbetrags schließlich an die Firma L. zurücküberwiesen.

Das war übrigens nur die angeklagte Tat „II.1.a.“. Wegen der anderen angeklagten Betrügereien wurde die Revision verworfen.

Ein kleiner zivilrechtlicher Hinweis: Wenn der Kaufpreis den Wert um 100% übersteigt, besteht Verdacht auf Wucher. Dies spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, denn 299.500 € sind nicht das Doppelte von 150.000 €, könnte jedoch den Käufer des Fahrzeugs, der dafür 378.000 € bezahlt hat, interessieren.

Der Witz an dieser Geschichte ist, dass der BGH diesen Sachverhalt als straflos ansieht. Dass hier „aufgrund eines Kommunikationsversehens“ konkret 299.500 € auf ein Konto überwiesen wurden, und letztlich nur durch Zufall nicht verschwunden sind, spielt offenbar keine Rolle. Doch wie kann das sein?

Der BGH führt dazu aus:

Auch ein auf die Erlangung der Kaufpreiszahlung von der Firma L. gerichteter (versuchter) Betrug wird von den Gründen des angefochtenen Urteils nicht getragen, weil die für eine Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB subjektiv erforderliche Bereicherungsabsicht nicht belegt ist. Zwar kann den Feststellungen jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang entnommen werden, dass es dem Angeklagten bei der Täuschung über die Identität des Verkäufers auch darauf ankam, möglichst den Kaufpreis zu erhalten. Diese Feststellung einer Bereicherungsabsicht des Angeklagten wird vom Landgericht im Rahmen seiner Darlegungen zur Beweiswürdigung aber nicht tragfähig begründet. Die Strafkammer ist aufgrund des Inhalts mehrerer überwachter Telefongespräche im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass der Angeklagte von Anfang an die Möglichkeit einer Zahlung der Firma L. erkannte und billigte. Ihre zur subjektiven Tatseite gewonnene Überzeugung hat sie in den Urteilsgründen dahin zusammengefasst, dass der Angeklagte, dem es zunächst vor allem darum gegangen sei, die Firma L. von der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche abzuhalten, sehr schnell erkannt habe, dass der Einsatz eines vorgeschobenen Verkäufers das Potenzial habe, zusätzlich den Kaufpreis zu erhalten, was der Angeklagte aus Verärgerung und mit dem Ziel der Bestrafung des Zeugen W. für dessen Drohung mit Schadensersatzansprüchen auch gebilligt habe. Bei der Übersendung des auf den Strohmann lautenden Kaufvertrages habe der Angeklagte also billigend in Kauf genommen, dass die Firma L. ohne Aussicht auf Erhalt der Gegenleistung den Kaufpreis zahlen könnte. Mit diesen Ausführungen wird lediglich ein bedingter Vorsatz des Angeklagten, nicht aber eine auf die Erlangung des Kaufpreises gerichtete Absicht im Sinne eines zielgerichteten Willens (vgl. Tiedemann LK StGB, 12.Aufl., 263 Rn.249) dargetan.

Wir halten fest: Der BGH meint, die erforderliche (Dritt-)Bereicherungsabsicht werde von den Urteilsgründen nicht getragen. Dann kommt ein sog. „zwar-aber“-Satz, bei dem man bekanntlich alles vor dem „aber“ ignorieren kann. Im Kern habe das Landgericht lediglich die tatsächlichen Anhaltspunkte für bedingten Vorsatz (dolus eventualis) bezüglich der Bereicherung, aber nicht für eine Absicht (dolus directus 1. Grades) festgestellt. Das wiederum heißt im Ergebnis, dass der BGH hier keine neue Strafbarkeitslücke erfunden hat, sondern, dass das LG ganz einfach schlampig gearbeitet hat. Dass der BGH den Unsicherheitsfaktor zwischen „die Nummer kann klappen“ und „die Nummer wird klappen“ mit dem dolus eventualis verwechselt hat, erscheint jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Man stelle sich vor, das Geld wäre wirklich in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwunden, wäre dann nicht genau das passiert, was der Angeklagte und sein „Homie“ geplant hatten? In diesem Fall die Drittbereicherungsabsicht zu verneinen, wäre schwer geworden, sogar für den BGH. Was hier gebilligt wurde, dürfte allenfalls der Umstand gewesen sein, dass dieser mächtig gewaltige Plan auch in Hose gehen konnte. Zum Vergleich: Wer beim Roulette auf Rot setzt, hat keinen dolus eventualis bezüglich des Gewinns. Wenn Schwarz kommt, hat er ganz einfach Pech gehabt.