Ein wunderschönes Beispiel für das sog. „Autoritätsargument„, eine Behauptung sei wahr, weil sie eine Autorität für wahr erklärt hat, findet sich in dem berühmt berüchtigten Hexenhammer aus dem Jahre 1486. Exemplarisch ist dabei der folgende Abschnitt (1. Abschnitt – Ob es Zauberei gebe):

Ob die Behauptung, es gebe Hexen, so gut katholisch sei, daß die hartnäckige Verteidigung des Gegenteils durchaus für ketzerisch gelten müsse?

[..]

Einige nämlich haben nach der Lehre des S. Thomas [gemeint ist Thomas von Aquin – Anm. d. Verf.], IV, dist. 24, wo er von der Hexenhinderung spricht, zu behaupten versucht, es gäbe auf Erden keine Zauberei; sie lebe nur in der Vorstellung der Menschen, die natürliche Erscheinungen, deren Ursachen verborgen sind, den Hexen zuschrieben. Andere geben zu, daß es Hexen gibt, daß sie aber nur in der Einbildung und Phantasie bei den Hexentaten mitwirken; noch andere behaupten, die Hexenkünste seien überhaupt Phantasie und Einbildung, mag auch ein Dämon wirklich mit einer Hexe zu tun haben. [..]

[Sie] werden überhaupt als Ketzer gekennzeichnet durch die Gelehrten, besonders durch S. Thomas in der erwähnten dist. IV, 24, art. 3, und zwar in corpore, da er sagt, solche Ansicht sei durchaus wider die gewichtigen Lehren der Heiligen und wurzele im Unglauben, weil die Autorität der Heiligen Schrift sagt, daß die Dämonen Macht haben über die Körperwelt und über die Einbildung der Menschen, wenn es von Gott zugelassen wird, wie aus vielen Stellen der Heiligen Schrift ersichtlich. Die also sagen, es gäbe kein Hexenwerk in der Welt, außer in der Vorstellung der Menschen; auch nicht glauben, daß es Dämonen gäbe, außer in der Vorstellung allein des großen Haufen, so daß der Mensch die Irrtümer, die er sich selbst macht, nach ihrer Meinung den Dämonen aufbürde; und daß schon aus starker Einbildung gewisse Gestalten im Sinne erscheinen, so, wie der Mensch denkt, daß wir Dämonen oder auch Hexen bloß zu sehen meinen; und da dies dem wahren Glauben widerstreitet, nach dem wir glauben, daß Engel aus dem Himmel gestoßen und Dämonen geworden seien, deshalb gestehen wir auch, daß sie durch größere Kraft ihrer Natur vieles vermögen, was wir nicht können; und jene, die sie zu solchen Taten bringen, heißen Zauberer. So heißt es dort. Weil aber Ungläubigkeit an einem Getauften Ketzerei heißt, deshalb werden solche der Ketzerei bezichtigt.

Kurzfassung: Wer nicht glaubt, dass es Dämonen gibt, ist ein Ketzer, weil in der Bibel steht, dass es Dämonen gibt.

Der Gegenbeweis der Nichtexistenz ist nicht nur rein logisch schwer zu führen, sondern war per Definition ausgeschlossen, weil der Wahrheitsgehalt der Bibel als unbestreitbar galt. Diese Argumentationstechnik wiederum ist vergleichbar mit der gerichtlichen Feststellung, eine Tatsache sei „offenkundig“ im Sinne von § 291 ZPO, bzw. § 244 Abs. 3. Nr. 1 StPO. Heute spielt die Bibel vor Gericht keinerlei Rolle mehr. Sie wurde durch das Grundgesetz abgelöst.

 

P.S.: Es gibt auch Tatsachen, bei denen man sich anfänglich nicht sicher war, die jedoch in absehbarer Zeit als „offenkundig“ gelten werden.