Nach der gestrigen Sitzung des Thüringer Landtags ist das Geschrei groß. Ich werde mich dazu jeglicher Bewertung enthalten, weil ich den Verlauf der Sitzung auch nicht verfolgt habe, sondern einfach auf die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags hinweisen.

§ 31 Zur Geschäftsordnung
(1) Zur Geschäftsordnung kann die Präsidentin beziehungsweise der Präsident das Wort nach freiem Ermessen erteilen.
(2) Die Präsidentin beziehungsweise der Präsident muss das Wort der beziehungsweise dem Fraktionsvorsitzenden
oder der Vertretung im Amt unverzüglich erteilen. Eine Geschäftsordnungsmeldung während einer Rede kommt unmittelbar nach der Rede zum Aufruf.
(3) Anträge zur Geschäftsordnung dürfen sich nur auf die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der zu beratenden Gegenstände oder den Geschäftsplan des Hauses beziehen.
(4) Zur Geschäftsordnung darf die einzelne Rednerin beziehungsweise der einzelne Redner nicht länger als fünf Minuten sprechen.

Wer diese Präsidentin beziehungsweise der Präsident ist, wird in der konstituierenden ersten Sitzung des Landtags gemäß § 1 GO bestimmt.

§ 1 Erste Sitzung des Landtags
(1) Der Landtag tritt spätestens am 30. Tage nach der Wahl zusammen. Zu der ersten Sitzung wird der Landtag von der bisherigen Präsidentin beziehungsweise dem bisherigen Präsidenten einberufen.
(2) Die erste Sitzung des Landtags leitet das an Jahren älteste oder, wenn es ablehnt, das jeweils nächstälteste Mitglied des Landtags, bis die neu gewählte Präsidentin beziehungsweise der neu gewählte Präsident oder deren Stellvertretung das Amt übernimmt.
(3) Die Alterspräsidentin beziehungsweise der Alterspräsident ernennt zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern und lässt die Namen der Abgeordneten aufrufen.
(4) Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt der Landtag die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten, die Vizepräsidentinnen beziehungsweise Vizepräsidenten und 18 Schriftführerinnen und Schriftführer und bildet einen Petitionsausschuss nach § 70 a.

Das Thüringer Verfassungsgericht wird nun zu entscheiden haben, ob diese Normen eingehalten wurden. Wenn nicht, dann nicht.

 

Update (28.09.2024): Die CDU war laut FAZ im einstweiligen Rechtsschutz erfolgreich, was allerdings im weiteren Text als „größtenteils erfolgreich“ eingeschränkt wird. Der Spiegel spricht zutreffend von einem Teilerfolg. Auf der Webseite des Thüringer Verfassungsgerichts ist der Beschluss zu finden.

Der Tenor lautet wie folgt:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei der Fortsetzung der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags den Namensaufruf der Abgeordneten durchzuführen, daran anknüpfend die Feststellung über die Beschlussfähigkeit des Landtags zu treffen und sodann die vorläufige Tagesordnung in der Fassung vom 19. September 2024 im Plenum zur Abstimmung zu stellen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Der Freistaat Thüringen hat den Antragstellern die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

Die Anträge lauteten wie folgt:

1. Der Alterspräsident des 8. Thüringer Landtages, Abg. Jürgen Treutler, wird verpflichtet, gemäß Punkt 3 der neu gefassten Tagesordnung vom 19. September 2024, welche die bisherige Landtagspräsidentin allen gewählten Mitgliedern des 8. Thüringer Landtages übersandte, zu verfahren, die Beschlussfähigkeit festzustellen und den Namensaufruf der Abgeordneten durchzuführen.
2. Der Alterspräsident des 8. Thüringer Landtages, Abg. Jürgen Treutler, wird verpflichtet, die Tagesordnung in der neuen Fassung vom 19. September 2024, wie sie die bisherige Landtagspräsidentin allen gewählten Mitgliedern des 8. Thüringer Landtages übersandte, festzustellen.
3. Der Alterspräsident des 8. Thüringer Landtages, Abg. Jürgen Treutler, wird sodann verpflichtet, gemäß Punkt 4 der neu gefassten Tagesordnung vom 19. September 2024, welche die bisherige Landtagspräsidentin allen gewählten Mitgliedern des 8. Thüringer Landtages übersandte, zu verfahren und den Antrag der Fraktionen der CDU und des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ auf Änderung der Geschäftsordnung des Landtages vom 19. September 2024 auf Landtagsdrucksache Nr. 8/7 im Landtag unverzüglich aufzurufen und zur Abstimmung zu stellen.
4. Der Alterspräsident des 8. Thüringer Landtages, Abg. Jürgen Treutler, wird sodann verpflichtet, gemäß Punkt 5 der neu gefassten Tagesordnung vom 19.09.2024, welche die bisherige Landtagspräsidentin allen gewählten Mitgliedern des 8. Thüringer Landtages übersandte, zu verfahren und die Wahl der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten zu eröffnen. Dabei ist er verpflichtet, Wahlvorschläge aller Fraktionen zuzulassen, sofern der Landtag zuvor dem Antrag der Fraktionen der CDU und des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ zugestimmt hat.

In der Begründung des Beschlusses heißt es unter Ziffer III 1. e):

Soweit die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners beantragen,
die vorläufige Tagesordnung in der Fassung vom 19. September 2024 („Neufassung der Einladung zur 1. Plenarsitzung“) bereits festzustellen (Antrag zu 2.),
den unter Ziffer 4 der vorläufigen Tagesordnung enthaltenen Antrag der Fraktionen der CDU und des BSW zur Änderung der Geschäftsordnung (LTDrucks 8/7) zur Abstimmung zu stellen (Antrag zu 3.) und
für den Fall, dass die unter Ziffer 4 der vorläufigen Tagesordnung beantragte Änderung der Geschäftsordnung durch den Landtag beschlossen worden ist, bei der daran anschließenden Wahl des Landtagspräsidenten (Ziffer 5 der vorläufigen Tagesordnung) Wahlvorschläge sämtlicher Fraktionen zuzulassen (Antrag zu 4.),
fehlt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.