Der neuste Twist rund um die Aktivitäten der „Letzten Generation“ besteht in der Bezahlung der Geldstrafen durch Dritte, hier durch ein Unternehmen. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob es wirklich so einfach ist, ob man Gott mit genügend Geld in der Portokasse einfach einen guten Mann sein lassen kann. Können selbsternannte Philanthropen die Justiz der BRD an der Nase herumführen?

Auf den ersten Blick kommen hier zwei Strafnormen in Betracht: Zum einen die Belohnung von Straftaten gem. § 140 StGB. Diese Norm greift jedoch nur bezüglich gewisser Katalogtaten, und die Nötigung ist nicht dabei. Es gibt jedoch noch eine andere Strafnorm, die hier verletzt sein könnte, nämlich die Strafvereitlung gem. § 258 Abs. 2 StGB. Ich zitiere diesbezüglich die Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1990 (Az.: 2 StR 439/90):

I.

Die Frage, ob die Bezahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten den Tatbestand der Strafvereitelung – in der Alternative der Vollstreckungsvereitelung – nach § 258 Abs. 2 StGB erfüllt, ist umstritten.

1. Das Reichsgericht hat zu § 257 StGB a.F. (Begünstigung) entschieden, der Verurteilte werde der Bestrafung entzogen, wenn ein anderer die Geldstrafe für ihn bezahlt. Denn die Natur der Geldstrafe bestehe darin, daß der Verurteilte als Strafübel eine Vermögensminderung erleiden solle (RGSt 30, 232, 235). Der Tatbestand einer Begünstigung wurde hingegen in dem Fall verneint, in dem der Dritte die Zahlung als Darlehensgeber leistete (RG GA 44, 253ff.). Nicht als Begünstigung wurde auch die Erstattung eines Betrages in Höhe der Geldstrafe an den Verurteilten nach Bezahlung der Strafe bewertet (RGZ 169, 267ff.; BGHZ 23, 222, 224).

Der Bundesgerichtshof hat schließlich auch die Zahlung eines Betrages an einen Arbeitnehmer zum Ausgleich eines vom Arbeitgeber mitverursachten Schadens dann als zulässig angesehen, wenn der erstattete Betrag eine noch nicht bezahlte Steuerstrafe des Arbeitnehmers enthielt (BGHZ 41, 223 [BGH 06.04.1964 – II ZR 11/62]).

2. Rechtslehre und Kommentarliteratur äußern sich unterschiedlich (vgl. Übersicht bei Hillenkamp, Zur Höchstpersönlichkeit der Geldstrafe, Festschrift für Lackner S. 455, 466f).

Einerseits wird die Ansicht vertreten, die Zahlung einer Geldstrafe für einen anderen sei generell nicht als Strafvollstreckungsvereitelung zu bewerten (vgl. Preisendanz, StGB 30. Aufl. § 258 Anm. III 3; Samson in SK, StGB 4. Aufl. § 258 Rdn. 34, 35; Arzt/Weber, Strafrecht BT LH 4 2. Aufl. S. 137; Schmidhäuser, Strafrecht BT 2. Aufl. S. 252; Otto, Grundkurs Strafrecht 2. Aufl. S. 462; Engels Jura 1981 S. 581ff.; Noack StV 1990 S. 113ff.), nach anderer Ansicht soll sogar die spätere Erstattung einer Geldstrafe strafbar sein (Decken ZStW Bd. 12, 114ff.; Lehmann GA Bd. 19, 784ff.; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 258 Rdn. 9).

Nach wohl überwiegender Ansicht begeht Strafvollstreckungsvereitelung nur, wer die Strafe direkt für den Verurteilten einzahlt oder ihm den entsprechenden Betrag vor der Bezahlung schenkt, nicht hingegen derjenige, der dem Verurteilten nachträglich einen entsprechenden Betrag erstattet oder ein vorher im Hinblick auf die Geldstrafe gewährtes Darlehen erläßt (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 258 Rdn. 28; Tröndle in LK 10. Aufl. vor § 40 Rdn. 39; Krey, Strafrecht BT Bd. I 7. Aufl. S. 240, 242; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts AT 4. Aufl. S. 699; Blei, Strafrecht II BT 12. Aufl. S. 434, 435; Müller-Dietz Jura S. 242, 246).

Das Verbot, eine fremde Geldstrafe zu bezahlen und seine Strafbewehrung wird von der überwiegenden Meinung damit begründet, die Verhängung der Geldstrafe begründe eine höchstpersönliche Leistungspflicht, sie solle den Verurteilten persönlich treffen und für ihn ein fühlbares Übel darstellen. Die Geldstrafe verliere ihren Sinn, wenn ein Dritter dem Verurteilten diese Belastung abnehme.

3. a) Dem wird entgegengehalten, die Rechtsordnung könne es weder verbieten, noch verhindern, daß jemand einen Verurteilten aus Mitleid oder anderen Gründen finanziell unterstütze. Ein solches Verhalten sei sozial adäquat und damit nicht tatbestandsmäßig (Preisendanz a.a.O.; Schmidhäuser a.a.O.; Otto a.a.O.).

b) Der Gedanke, die mit der Verurteilung gewollte Vermögenseinbuße beim Verurteilten dürfe nicht vereitelt werden, lasse sich wegen der prinzipiellen Vertretbarkeit von Geld nicht durchhalten. Einerseits sei die Straflosigkeit der nachträglichen Erstattung bereits gezahlter Geld strafen mit dem Zweck der Strafe als persönliche und fühlbare Übelszufügung ebenfalls nicht zu vereinbaren, andererseits wäre es ein unvertretbares Ergebnis, jegliche Schenkung an einen zu Geldstrafe Verurteilten zu verbieten, solange die Strafe noch nicht bezahlt ist. Ein solches Verbot würde von der herrschenden Meinung faktisch begründet, denn § 258 StGB setze keine Vereitelungsabsicht voraus, sondern lasse Wissentlichkeit genügen (Samson a.a.O.).

c) Schließlich wird darauf hingewiesen, die Zahlung einer Geldstrafe aus dem Vermögen eines Dritten lasse sich bereits nach Wortlaut und Wortsinn des Gesetzes nicht als Vollstreckungsvereitelung verstehen, sondern könne lediglich als Strafzweckvereitelung bezeichnet werden. Die Verhinderung der Vollstreckungswirkung oder die Vereitelung des Strafzwecks seien begrifflich keine Vereitelung der Vollstreckung. Als solche sei nur ein störender Eingriff in den äußeren Vollstreckungsvorgang zu verstehen (vgl. Engels a.a.O. S. 583; Noack a.a.O.).

II.

Die Bezahlung einer Geldstrafe – unmittelbar oder mittelbar – aus dem Vermögen eines Dritten erfüllt nicht den Tatbestand der Strafvereitelung.

1. Nach Rechtskraft des Urteils haben die staatlichen Vollstreckungsorgane dafür Sorge zu tragen, daß der richterliche Urteilsspruch durchgesetzt wird, daß der Verurteilte die ihm auferlegte Verpflichtung erfüllt. Bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe ist der Verurteilte verpflichtet, die (zeitweise) Entziehung eines höchstpersönlichen, unübertragbaren Rechts, des Rechts auf persönliche Freiheit, hinzunehmen.

Wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt, so hat er einen bestimmten Geldbetrag – eine vertretbare Sache – an die Gerichtskasse zu zahlen.

Die Vollstreckungsbehörden haben die Freiheitsentziehung oder die Zahlung der Geldstrafe durchzusetzen. Nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen durchsetzbar ist hingegen die weitgehend vom Willen des Verurteilten abhängige „persönliche Betroffenheit“. Sie ist nicht vollstreckbar und deshalb nicht Angriffsobjekt der Strafvereitelung.

Aus diesem Grunde begeht Vollstreckungsvereitelung nur, wer durch Störung der äußeren Abläufe (Übernahme oder Überstellung des Verurteilten in den Vollzug, Beitreibung von Geldstrafen) bewirkt, daß eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil mindestens für geraume Zeit nicht verwirklicht werden kann.

Ein Dritter, der – ohne in den äußeren Ablauf der Vollstreckung einzugreifen – nur dazu beiträgt, daß der Verurteilte von der Strafe nicht oder weniger „persönlich betroffen“ ist, vereitelt den staatlichen Strafanspruch nicht.

2. Diejenigen, die einen Eingriff annehmen und ihre Annahme auf Strafzweckerwägungen stützen, müssen sich zwei durchgreifende Einwände entgegenhalten lassen:

a) Die Auslegung einer strafrechtlichen Norm findet ihre Grenze im möglichen Wortsinn. Jenseits dieser Grenze beginnt die Analogie, die nur zugunsten eines Beschuldigten zulässig ist. Das folgt aus dem Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB). Es verlangt Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Strafdrohung durch den sich am Wortlaut und seinem möglichen Sinn orientierenden Normadressaten (vgl. BVerfGE 25, 269, 285; 47, 109, 120ff.; 64, 389, 393 [BVerfG 05.07.1983 – 2 BvR 200/81]; 71, 109, 115) [BVerfG 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82]. Nichts im Wortlaut des § 258 Abs. 2 StGB deutet an, daß derjenige die Vollstreckung einer Geldstrafe vereitelt, der, ohne in den äußeren Vollstreckungsvorgang einzugreifen, dafür sorgt, daß die Strafe bezahlt wird, auch wenn es dabei nicht zu einer Beeinträchtigung (Vermögensminderung) des Verurteilten kommt.

Eine Einschränkung des Gesetzlichkeitsprinzips auf Grund der Rechtsprechung kommt nicht in Frage. Eine eindeutige, in vielen Entscheidungen gefestigte Judikatur, die dahin ginge, daß § 258 Abs. 2 StGB die Bezahlung von Geldstrafen durch Dritte mit Strafe bedrohe, besteht nicht.

b) Das Argument, die Bezahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten laufe den Strafzwecken zuwider, wird von denen, die es gebrauchen, unterschiedlich angewandt. Die vorgenommenen Differenzierungen (vgl. B I. 1. und 2.) sind aber nicht billigenswert. Gemessen an den mit der Bestrafung verfolgten Zwecken macht es keinen Unterschied, ob ein Dritter eine Geldstrafe sogleich bezahlt, sie dem Verurteilten später erstattet oder ob er ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung er erläßt. Eine Interpretation, die das eine erlauben und das andere verbieten will, läuft auf eine „Privilegierung von Komödien“ (Engels a.a.O.) hinaus. Sie trifft nur den ungeschickten Täter, der es unterläßt oder nicht versteht, seine Zuwendung an den Verurteilten so zu etikettieren, daß sie nicht als tatbestandsmäßige Handlung erscheint, obwohl sie der Sache nach Abwendung der unmittelbar fühlbaren Auswirkungen des Strafübels vom Verurteilten ist.

Das – von einer Mindermeinung vertretene – Verbot jedweder Zuwendung an den zu einer Geldstrafe Verurteilten, die den Strafzweck vereiteln könnte, also auch das Verbot von Schenkungen nach der Bezahlung einer Geldstrafe, würde in einer nicht mehr tragbaren Weise in private Beziehungen eingreifen und die Gefahr begründen, daß sozial adäquates Verhalten unter Strafe gestellt wird.

 

Ergebnis: Der Bauerntrick scheint zu funktionieren. Dadurch erklärt sich im Übrigen auch, dass bereits mehrfach kurze Freiheitsstrafen verhängt wurden. Eine Freiheitsstrafe muss bekanntlich auf dem eigenen Allerwertesten abgesessen werden.

P.S.: Man könnte wegen der pauschalen Zusage, künftig die Geldstrafen zu zahlen, natürlich auch noch über Beteiligungsdelikte nachdenken.