Die Erosion des Rechtsstaats zeigt sich an allen Ecken. In Hamburg ist man auf ein bemerkenswertes Wording gekommen: „Bedingt anklagebereit„. Die Parallele zu der Schlagzeile „bedingt abwehrbereit„, mit welcher der Spiegel eine Staatsaffäre auslöste, liegt natürlich auf der Hand.

Warum ist die Staatsanwaltschaft chronisch unterbesetzt? Warum werden ca. 80% aller Strafverfahren eingestellt?

Die zweite Frage zuerst: Weil entweder kein hinreichender Tatverdacht besteht, oder weil sich mit dem Verfahren kein Geld verdienen lässt. Die Justiz arbeitet in Deutschland im Idealfall kostenneutral. Das heißt, der Verurteilte wird nicht nur bestraft, er trägt auch noch die Kosten des Verfahrens.

Fun Fact: Im Mittelalter wurde den Hinterbliebenen die Kosten der Hinrichtung in Rechnung gestellt. Dazu gehörten die Verpflegungskosten für die Richter und den Henker.

Wenn beim Angeklagten nichts zu holen ist, macht der Staat Verlust. Das ist der Schwerkriminalität im Zweifel nicht zu vermeiden, aber beim Kleinkram, wo die Verfahrenskosten mit dem Schaden kaum in Relation stehen, erspart man sich das Verlustgeschäft, insbesondere bei steigender Kriminalität. Die Verurteilten können die Geldstrafen nicht bezahlen. Sie können die Verfahrenskosten nicht bezahlen. Die Ersatzfreiheitsstrafe, wo man für Kost und Logis auf über 130 Euro pro Tag kommt, ist für den Staat noch teurer. Es rechnet sich nicht, insbesondere wenn Geld für dringendere Probleme benötigt wird.

Nun zur ersten Frage: Wer sich für den Justizdienst entscheidet, möchte typischerweise Richter werden. Dabei gibt es jedoch einen winzigen Haken, denn man muss sich bereit erklären ggf. auch Staatsanwalt zu werden. Mit anderen Worten, wer zum Staatsanwalt gemacht wird, hat typischerweise seinen Berufswunsch verfehlt. Der Volksmund bezeichnet diese Situation mit „XY hat die A****-Karte gezogen“. Warum ist das so? Staatsanwälte haben feste Arbeitszeiten und sind weisungsgebunden. Sie bearbeiten typischerweise fünf mal so viele Verfahren, wie die Richter. Wenn ein Richter am Amtsgericht im Schnitt pro Tag zwei Fälle abschließend bearbeiten muss, heißt das, dass ein Staatsanwalt zehn Verfahren abschließen muss. Auch wenn davon acht Verfahren eingestellt werden, muss man die entsprechenden Akten dennoch „gefressen“ haben. Jeden morgen kommt ein freundlicher Justizangestellter mit einem Wägelchen vorbei und haut den fleißigen Staatsanwälten einen Packen neue Akten auf den Tisch. Das geht so jeden Tag, bis zur Pension. Das Gehalt eines Staatsanwalts ist vergleichbar mit dem eines Richters. 2014 gab es ca. 12 Euro netto pro Stunde. Überraschenderweise war dies jedoch verfassungswidrig. Die Gehälter wurden daher angehoben, d.h. mittlerweile verdient man als Staatsanwalt mehr als den aktuellen Mindestlohn. Ich tippe mal darauf, dass das Gehalt in etwa dem eines Oberstudienrats entspricht. Dafür muss man sich wenigstens nicht von seinen Schülern verprügeln lassen.