Laut der LTO haben Studierendenverbände zu Protesten aufgerufen. Offenbar ist man mal wieder mit den Zuständen rund um die Juristenausbildung unzufrieden und möchte Reformen. Gut, das hat man 1969 auch schon gewollt, und schon damals hat es niemanden interessiert. Proteste sind ungehörig.

Jurastudierende sind übrigens bereits seit Jahrhunderten mit den Gesamtzuständen unzufrieden, und das nicht ohne Grund. Im 19. Jahrhundert lag das Problem in Preußen z.B. darin, dass an den Universitäten die Pandekten (Römisches Recht) gelehrt wurden, im Examen jedoch das Allgemeine Landrecht geprüft wurde. Das nötige Wissen musste an Privatschulen, wie z.B. der berühmten „Assessorenfabrik“ in Baumgartenbrück bei Potsdam, erworben werden. Ein weiterer Stein des Anstoßes war, dass man nach dem Examen bis zu 10 Jahre lang ohne Lohn bei Gericht arbeiten musste, bevor man eine besoldete Richterstelle bekleiden durfte. Man musste für diesen Zeitraum sogar den Nachweis erbringen, dass man sich anderweitig alimentieren konnte.

Ein wunderschönes Beispiel für die Absurdität der heutigen Justistenausbildung ist der sog. „Aktenvortrag„, eine Fallakte, dessen Lösung man nach einstündiger Vorbereitung mündlich vortragen muss. Selbst Laien können das Problem verstehen, indem sie sich die Musterlösung am Ende anschauen:

Es begann harmlos mit einer Seite in Normalschrift. Dann wurde daraus eine Seite in Mikroschrift. Die nächste Stufe waren zwei Seiten in Normalschrift. Mittlerweile sind wir bei vier Seiten in Normalschrift angelangt. Der darzustellende Lösungsinhalt hat sich innerhalb von 15 Jahren faktisch vervierfacht. Eine solche Inflation hat nicht mal der Euro geschafft. Was sich natürlich nicht geändert hat, ist Bearbeitungszeit für die Prüflinge. Wie konnte das passieren? Es ist vermutlich eine direkte Folge des wachsenden juristischen Ausbildungsangebots. Je mehr man tun kann, um sich auf das Examen vorzubereiten, desto härter wird die Prüfung, da am Ende immer dieselbe Notenverteilung rauskommen soll. Die Notenverteilung ist mit marginaler Varianz in allen Jahrgängen gleich. Das Prüfungsamt und die Einzelprüfer bekommen auf wundersame Weise immer die gute alte Gaus’sche Glockenkurve hin.