Die Bundesinnenministerin, die lieber hessische Ministerpräsidentin wäre, hat einen kühnen Vorschlag geäußert: Clan-Mitglieder sollen auch ohne Straftat abgeschoben werden können. Merke: Auf den Umstand, dass die Mitgliedschaft in kriminellen Clans per se straflos ist, weil die entsprechende Strafnorm, § 128 a.F. StGB, im Jahre 1968 abgeschafft wurde, habe ich bereits mehrfach hingewiesen. Dass es solche Clans gibt, wird vereinsrechtlich geduldet.
Der kühne Vorschlag der Bundesinnenministerin wirkt jedoch nicht ganz so kühn, wenn man einen Blick in § 53 Abs. 1 AufenthG. Dort steht:
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Die Bundesinnenministerin möchte somit eigentlich nur das geltende Recht anwenden, allerdings ohne die erforderliche Einzelfallprüfung. Die pauschale Behandlung von Clan-Mitgliedern als Ausländer zweiter Klasse wäre jedoch ein offenkundiger Verstoß gegen die Menschenwürde, vgl. Art. 1 GG. Skandal!
Es ist Aufgabe der Bundesinnenministerin die Verfassung zu verteidigen, und nicht verfassungsfeindlichen Vorschläge zu machen. Man könnte allerdings zugunsten der Bundesinnenministerin den Rechtsgedanken des § 118 BGB anwenden. Danach ist eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, nichtig. Die „Hardlinerin“ nimmt ihr ohnehin niemand ab, und darauf durfte sie auch redlich vertrauen. Im Wahlkampf wird vieles versprochen, wovon man hinterher nichts mehr wissen will.
Nachtrag: Laut der WELT können die meisten Clan-Mitglieder gar nicht abgeschoben werden. Wer hätte damit gerechnet? Es bleiben zwei Möglichkeiten:
- Die „innere Abschiebung“: Im Jahre 1934 erging das Gewohnheitsverbrechergesetz. Daraufhin wurden polizeibekannte Gewohnheitsverbrecher, die sich in sog. Ringvereinen organisiert hatten, in Konzentrationslager eingewiesen. So kam die organisierte Kriminalität in Deutschland auf einen Schlag zum Erliegen. Diesem Vorbild darf die Bundesrepublik jedoch nicht folgen, weil es offenkundig ein Nazi-Gesetz war. Alles, was die Nazis gemacht haben, ist falsch, selbst wenn es sich dabei um die Bekämpfung von Gewohnheitsverbrechern gehandelt hat. Vgl. dazu die Anerkennung als NS-Verfolgte durch den Bundestag. Dass das Gewohnheitsverbrechergesetz eines der wenigen Nazi-Gesetze war, die nicht vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben wurden, ist egal. Egal ist ferner, dass der ursprüngliche Gesetzesentwurf aus der Weimarer Republik stammte und auf den Kriminologen Robert Heindl zurückging, dem man 1953 für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz verliehen hat. Dies geschah übrigens – rein zufällig, oder auch nicht – in demselben Jahr, in dem die Regelungen zur Sicherungsverwahrung in das StGB eingefügt wurden.
- Vereinsverbot: Natürlich kann ein solcher Clan, wie jeder andere Verein auch, verboten werden, wenn seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Wer den verbotenen Verein weiterhin betreibt, macht sich gem. § 20 VereinsG strafbar. Dann kommen die Mitglieder nicht in Sicherungsverwahrung, sondern in ein ganz normales Gefängnis. Alles kein Problem, sofern dazu der politische Wille besteht. Genau daran zweifle ich jedoch. Diese Forderungen sind allesamt Wahlversprechen, die sich hinterher als „Geschwätz von gestern“ herausstellen werden.