Die Aachener Zeitung unterlegte einen Artikel über eine Demo gegen Rechts mit einem Beweisfoto. Gezeigt wurde ein Plakat mit einem Tötungsaufruf. Die StA Aachen ermittelt nun diesbezüglich wegen Volksverhetzung, jedoch beschlicht mich das Gefühl, dass die Ermittlungen im Sand verlaufen werden. Die einzige Person, deren Hände dem Plakat eindeutig zuzuordnen sind, ist vermummt. Im Gegensatz zu dem Fall des kalifornischen Antifa-Professors, dürfte es hierzulande keine sog. „Internet Trolle“ geben, die den Beschuldigten zweifelsfrei identifizieren können. In solchen Fällen wird das Verfahren eingestellt.

Faktisch haben wir hier ausnahmsweise mal ein Beispiel für eine idealtypische Volksverhetzung, die ursprünglich noch als „Anreizung zum Klassenkampf“ unter Strafe stand. Während dem reaktionären Gesetzgeber im Kaiserreich der typische linksextreme Veranstaltungsredner vorschwebte, der eine Masse anheizt, die daraufhin Ausschreitungen begeht, werden heutzutage – nach einer vollständigen Umwertung aller Werte – nur noch rechtsextreme Aussagen strafrechtlich verfolgt. Ob es zu Ausschreitungen kommt, ist egal. Es reicht die Geeignetheit. Alles, was viele Menschen erreichen kann, gilt als geeignet.

Bei der Rechtsanwendung könnte man sich nun die kreative Frage stellen, ob die Volksverhetzung aufgrund einer teleologischen Reduktion (= Fachbegriff für Zirkelschluss) linksextreme Aufrufe zur Tötung sog. „Nazis“ möglicherweise gar nicht erfasst. Ein Argument dafür wäre z.B. Art. 139 GG. Immerhin gibt es dazu auch ein drastisches historisches Vorbild: Bis ins Jahr 1951 wurden von den Amerikanern in der JVA Landsberg – offenkundig im Geltungsbereich des Grundgesetzes – Bundesbürger hingerichtet. Ein weiteres Argument wäre die Aussage des Vorsitzenden im Dresdener Hammerbanden-Prozess, der den Angeklagten „achtenswerte Motive“ bescheinigte. Anführen könnte man ferner die sog. „Radbruchsche Formel„, nach der nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch hierbei handelt es sich zwar offenkundig um ein Zirkelschluss, jedoch würde die Nichtanwendung der Formel zu einem unauflösbaren Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit führen. In solchen Fällen obsiegt der Anspruch. Mir scheint, es besteht insoweit viel Raum für Kreativität. Am Ende steht nur noch die Gretchenfrage: Wäre dies Rechtsbeugung? Das wäre bestimmt Rechtsbeugung, wenn die Opfer über Richter urteilen dürften.