Im Jahre 1946 herrschte unter der neugeschaffenen politischen Klasse in den Besatzungszonen Unklarheit, was man unter dem Begriff „demokratisch“ zu verstehen habe. Freundlicherweise klärte der US-Militärgourvaneur McNarney die neugierigen Möchtegern-Demokraten auf:
„A German Government can be described as democratic:
1. If it is recognized that all political power emanates from the people and is subject to its control.
2. If he who exercises political power receives his mandate to do so by frequently presenting his Programme in public in general elections.
3. If general elections are held in accordance with the principle of free competition, and if at least two parties, in fulfilling the preconditions of the competition, submit their Programmes and candidates to the public.
4. If political parties are recognized by the citizens as democratic institutions and voluntary associations which are clearly distinguished from the government machinery instead of being identical with it.
5. If the fundamental rights of the individual, including freedom to form political associations and other equally fundamental rights of free men are recognized and guaranteed.
6. If the means of expressing public opinion, for instance, radio and press, are not dominated by the government.
7. If the institutions which serve to protect the individual from power of government being exercised wantonly and arbitrarily, the rule of the law is recognized as the most important one.“
Ähnlich formuliert waren auch die Verfassungsgrundsätze in § 88 Abs. 2 StGB a.F.:
(2) Verfassungsgrundsätze im Sinne dieses Abschnitts sind
1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3. das Recht auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4. die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung,
5. die Unabhängigkeit der Gerichte,
6. der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
Heute finden sich diese Formulierungen unter der Bezeichnung „freiheitlich demokratische Grundordnung“ in § 4 Abs. 2 BVerfSchG:
(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:
a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Wie man sieht, ging es McNarney in erster Linie um die Möglichkeit der Wahl zwischen alternativen Parteiprogrammen (Wettbewerb), die Freiheit der Wahlentscheidung und die Verhinderung einer medialen Gleichschaltung. Diese Grundsätze spielen in späteren Formulierungen kaum noch eine Rolle. Nach dem heutigen Verständnis wäre es auch „demokratisch“, wenn die Bürger lediglich die Wahl zwischen Ja und Ja hätten. Letzeres wäre der praktischen Notwendigkeit geschuldet, dass mittlerweile über 90% der Gesetze aus Brüssel kommen und vom Bundestag nur noch umgesetzt werden.