Neuerdings macht ein Vorwurf die Runde, die bundesdeutsche Rechtsprechung stütze sich bei Corona-Urteilen auf „Nazi-Urteile“, insbesondere auf ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1940. Dem ist auch so, wie man der Liste der zitierenden Entscheidungen entnehmen kann, aber was heißt das?

Es heißt, dass das Reichsgericht damals, für manche unvorstellbar, auch Entscheidungen getroffen hat, die weder im Ergebnis, noch in der Begründung, dem Standard eines modernen Rechtsstaates widersprechen. Natürlich müssen Gefälligkeitszeugnisse im Gesundheitssektor strafbar sein, insbesondere wenn es um die Verhütung von ansteckenden Krankheiten geht. Wer das zuerst entschieden hat, ist völlig egal. Es war halt rein zufällig das Reichsgericht im Jahre 1940, weil sich zuvor offenbar kein Anlass ergeben hätte. Das Urteil hätte so auch genauso gut in der Weimarer Republik, im Kaiserreich, oder noch früher ergehen können. In keinem Staat der Welt können Ärzte vorsätzlich den Schutz der „Volksgesundheit“ – Vorsicht: Sprachpolizei – sabotieren.

Damit wurde natürlich nicht über die Rechtmäßigkeit der Corona-Maßnahmen selbst geurteilt. Dass die Bundesregierung auf Empfehlung der WHO und im Einvernehmen mit der EU die Grundrechte eingeschränkt hat, und das Gesundheitsministerium zur Schaffung subsumtionsfähiger Tatsachen vielleicht selbst Gefälligkeitsgutachten erstellen ließ, bzw. die Einschätzungen des RKI ignorierte, ist eine andere Geschichte. Wenn dem in der Tat so gewesen sein sollte, wird es möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der Verfassungsverrat lange abgeschafft ist.

P.S.: Mit einer Generalamnestie wäre ich vorsichtig, denn wenn es in der Tat eine „echte“ Pandemie mit Millionen von Todesopfern gewesen wäre, hätten diese Ärzte ein unüberschaubares Risiko geschaffen. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, ob sie dann auch genauso gehandelt hätten.