Im Hinblick auf die neuste Äußerung des Papstes zur Migration möchte ich an den Bismarcks Kulturkampf erinnern, der unter anderem die Einführung des Kanzelparagraphen (§ 130a a.F. StGB) zur Folge hatte. Nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahre 1871 wurde versucht, den Einfluss der sog. „Reichsfeinde“ zurückzudrängen. Darunter verstand man nicht nur die üblichen Verdächtigen, die Sozialdemokraten, sondern auch die Zentrumspartei als den politischen Arm des Papstes in Deutschland.
Dazu muss man natürlich auch die Vorgeschichte kennen. Das Erste Vatikanische Konzil hatte den Papst, dessen Schutzmacht Frankreich war, einen Tag vor Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges für unfehlbar erklärt. Die berechtigte Hoffnung, dass die katholischen süddeutschen Staaten nicht auf der Seiten des protestantischen Preußens in den Krieg eintragen, wurde jedoch enttäuscht.
Nach Kriegsende wurden nicht nur führende Sozialdemokraten aufgrund ihrer Parteinahme für französische Interessen wegen Hochverrats verurteilt, es wurden auch Maßnahmen gegen die Einflussnahme der katholischen Kirche ergriffen, insbesondere wurden der Jesuitenorden verboten und den sog. „Kanzeldonnerern“, d.h. Pfarrern, die zumindest nach Meinung der Obrigkeit ihr Amt für staatsfeindliche Hetze missbrauchten, ein Maulkorb verpasst. Der neugeschaffene § 130a StGB stellte damit die Urform der heutigen Volksverhetzung dar.
§ 130a StGB. (1) Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.
(2) Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind.
Diese Norm war trotz der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit überraschenderweise noch bis Oktober 1953 in Kraft. Konkreter Anlass für die Aufhebung der Norm war vermutlich der jesuitische „Kanzeldonnerer“ Pater Johannes Leppich, das sog. „Maschinengewehr Gottes“, der durch seine öffentlichen Auftritte, wo er regelmäßig den Kommunismus verurteilte, für großes Aufsehen sorgte, und mittelbar Propaganda für Adenauers CDU machte. Heutzutage macht die katholische Kirche natürlich keine Wahlwerbung mehr, sondern man steht voll und ganz hinter den Zielen der Vereinten Nationen.