In der BILD-Zeitung gibt es heute einen bemerkenswerten Artikel: Vorgestellt werden einige Bürgerinnen, die den Bundespräsidenten „wählen dürfen“. Dabei stellt sich jedoch die Frage: Warum dürfen diese netten Damen Steinmeier wählen, und warum dürfen Sie und ich das nicht? Sind wir zu dumm?

Die Antwort geht zurück bis in die Weimarer Republik. Dort durfte der Reichspräsident nämlich noch vom Volk gewählt werden. Wer wurde 1925 vom deutschen Volk ins Amt gewählt? Ein Verschwörungstheoretiker! Paul von Hindenburg, der ehemalige Oberkommandant des Deutschen Heeres, hatte vor Untersuchungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung zum Ersten Weltkrieg unter Eid die „Dolchstoßlegende“ vertreten. Dass er nach dieser bodenlosen Unverschämtheit dennoch nicht wegen Meineids angeklagt wurde, erklärt sich unter anderem aus dem Urteil im sog. „Magdeburger Prozess„.

Exkurs: Wenn man einen todkranken Menschen tötet, der nachweislich eine Sekunde später an seinem Leiden erlegen wäre, dann ist das strafrechtlich mindestens ein Totschlag, ggf. sogar Mord. Mit Einwilligung des Opfers kann es natürlich auch Tötung auf Verlangen sein. Dass das Opfer ohnehin gestorben wäre, ist dabei vollkommen unbeachtlich.

Die „Dolchstoßlegende“ basiert auf den Vorgängen im Vorfeld des Waffenstillstands von Compiegne. Die Vertreter dieser „Legende“ muss man natürlich aus ihrer Zeit heraus verstehen. Ihnen allen war das sog. „Mirakel von Brandenburg“ im Geschichtsunterricht vermittelt worden, als Beweis für die These, dass es selbst in aussichtsloger Lage immer noch eine glückliche Rettung geben könne. Diese unwahrscheinliche Restchance wird abgeschnitten, wenn man den Kausalverlauf vorzeitig unterbricht. Das ist auch die Logik, die Hitler bis zuletzt zum Durchhalten bewogen hat. Erst als klar war, dass Roosevelts Tod nicht die lange erhoffte Spaltung der Allierten bewirkte, übernahm er die Verantwortung für sein Scheitern und sich selbst das Leben. Was bei dieser Denkweise natürlich vollkommen ausgeblendet wird, sind die höchstwahrscheinlich sinnlosen Opfer, die in der Zwischenzeit gebracht werden müssen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das deutsche Volk darf seit 1945 keine direkten politischen Entscheidungen mehr treffen. Es gibt im Grundgesetz weder das Recht zur Wahl des Bundespräsidenten, noch einen Volksentscheid auf Bundesebene. Die Gründe dafür sind bekanntlich „gute Gründe“. Die Gründe für diese „guten Gründe“ habe ich hier hoffentlich ausreichend erläutert. Der Bundespräsident ist im Gegensatz zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik ein schwacher Präsident. Seine außenpolitischen Äußerungen muss er vom Bundeskanzler gegenzeichnen lassen. Dasselbe gilt gem. Art. 58 GG grundsätzlich auch für seine Anordnungen und Verfügungen. Wie eine bestimmte Person bei dieser Aufgabe „herausragen“ soll, ist für mich unklar.