A. Die Vorgeschichte
Der Wasserfilterhersteller Bestwater ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Der Film war – nach eigenem Vorbringen der Firma Bestwater ohne ihre Zustimmung – auf YouTube abrufbar. Zwei selbständige Handelsvertreter, die für einen Wettbewerber tätig sind, unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie im Sommer 2010 ihren Besuchern ermöglichten, besagten Film dort im Wege des Framing abzurufen. Daraufhin machte die Firma Bestwater nicht etwa gegen YouTube (das Video lässt sich dort aktuell immer noch finden), sondern gegen die beiden Handelsvertreter Unterlassungsansprüche gem. § 19a UrhG wegen unberechtlicher öffentlicher Zugängigmachung geltend.

B. Das Vorlageverfahren
Das Verfahren ging – im Wege der Kostenentscheidung – bis zum BGH. Dieser sah sich gezwungen, die Sache im Mai 2013 dem EuGH vorzulegen. Im Februar 2014 erging die Entscheidung über eine Vorlage aus Schweden EuGH C‑466/12, in der vom EuGH bezüglich der „öffentlichen“ Wiedergabe auf ein „neues Publikum“ abgestellt wurde. Dort heißt es unter anderem:

„Jedoch kann eine Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.“

Im Oktober 2014 wurde über die Vorlage des BGH entschieden, EuGH C‑348/13. Der Tenor lautet:

„Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht (Hervorhebung durch den Verfasser), allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.“

C. Das Urteil vom 09.07.2015
Der BGH versucht nun in seiner Entscheidung BGH I ZR 46/12 diese beiden Aussagen des EuGH im Wege der Heuristik zu einer Art Gesamtlösung zu verschmelzen. Die Kernaussage lautet wie folgt:

„Der Senat versteht diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin, dass die fraglichen Werke in derartigen Fällen für ein neues Publikum wiedergegeben werden, wenn keine entsprechende Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber vorliegt. Dafür spricht auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei dem „neuen Publikum“ nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union gegebenen Begriffsbestimmung um ein Publikum handelt, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Hat der Urheberrechtsinhaber die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe nicht erlaubt, konnte er dabei zwangsläufig nicht an ein Publikum denken, an das sich diese Wiedergabe richtet.“

Diese Interpretation mag zwar aus dem Kontext der beiden EuGH-Entscheidungen nachvollziehbar sein, sie verwundert jedoch zumindest im Hinblick auf die eindeutige Bezugnahme des EuGH zu der konkreten Fallgestaltung. Glücklicherweise existiert eine weitere Vorlage, diesmal aus den Niederlanden, die diesbezüglich hoffentlich für Klarheit sorgen wird: EuGH C-160/15.

D. Die Konsequenz
Bis zur endgültigen Klärung der Problematik tun Internetbenutzer gut daran, nur solche Videos zu „framen“, die mit Sicherheit rechtmäßig bei YouTube eingestellt worden sind. Insoweit lohnt sich beim Einsteller der Blick in die Rubrik „About“, wo sich üblicherweise das Impressum befindet.

Wie die Situation rechtlich zu bewerten ist, wenn der Einsteller das Einverständnis lediglich vortäuscht, oder der Urheber das Nutzungsrecht im Nachhinein entzieht, wären interessante Folgefragen. Dogmatisch besteht die Problematik darin, dass der gute Glaube an ein Nutzungsrecht nicht geschützt ist. Insoweit sei jedoch an dieser Stelle auf die interessante Entscheidung BGH I ZR 153/06 hingewiesen.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!