In den USA wurde mal wieder Rechtsgeschichte geschrieben: Ein „Verschwörungstheoretiker“ hatte auf seiner Webseite über Jahre Falschbehauptungen bezüglich eines Schulmassakers verbreitet. Daraufhin wurden Angehörige der Opfer und Lehrer jahrelang bedroht und belästigt. Die haben ihn daraufhin verklagt und bekamen von einer Laienjury 965 Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen. Natürlich wird die Summe vom Gericht nochmal nach unten korrigiert werden, aber es wird de facto bei einer Vermögensstrafe bleiben.

Das ist bemerkenswert, denn in den USA ist die unbeschränkte Redefreiheit in der Verfassung garantiert. Die einzige Einschränkung, einen winzigen Haken gibt es immer, ist der von der Rechtsprechung entwickelte sog. „Brandenburg-Test„. Danach ist eine Aussage nicht mehr von der Redefreiheit gedeckt, wenn unmittelbar eine gesetzlose Handlung droht und dies auch gewollt ist. Genau das dürfte hier fraglich gewesen sein, nur nicht für die Jury.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Rechtslage grundlegend anders. Bei uns ist analog zu Art. 118 der Weimarer Reichsverfassung gem. Art. 5 GG lediglich die Meinungsfreiheit garantiert, und das auch nur, sofern diese Meinung nicht durch „allgemeine Gesetze“ verboten ist. Tatsachenbehauptungen fallen nicht unter die Meinungsfreiheit. Die Nichterweisbarkeit einer Tatsache geht z.B. bei „üblen Nachrede“ gem. § 186 StGB zu Lasten des Angeklagten.

Zivilrechtlich können Falschbehauptungen mit Personenbezug in Deutschland z.B. den Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB erfüllen. Allerdings fällt hier der Schadensersatz deutlich geringer aus, denn unser Delinktsrecht hat keinen Strafcharakter. Bei uns werden z.B. die Behandlungskosten für psychische Störungen ersetzt und allenfalls ein bescheidenes Schmerzensgeld gezahlt. Interessant wird es allerdings bei Falschbehauptungen ohne Personenbezug (Beispiel: Gestern hat es in der Sahara geregnet.). Solche Behauptungen können grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche auslösen. Sollten dennoch Personen dadurch zu Schaden kommen, so wäre dies in der Regel ein sog. „Drittschaden“. Drittschäden werden nur ausnahmsweise ersetzt.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Opfer eines analogen Falles in Deutschland gar nichts bekommen hätten. Das ist nicht nur tragisch für die Opfer, denn der Untschied zwischen einer Milliarde und Nichts ist viel Geld, sondern auch für die Anwälte, denn in den USA wird in solchen üblicherweise auf Basis eines Erfolgshonorars von ca. 30% gearbeitet. In den USA hat ein Kollege, dem es gelingt eine Laienjury zum Weinen zu bringen, ausgesorgt.