In Frankreich hat sich ein älteres Ehepaar eine afrikanische Maske für 150 Euro von einem Gebrauchtwagenhändler abkaufen lassen, der für das Artefakt einen Versteigerungserlös von 4,2 Millionen Euro erzielte. Das Ehepaar kam sich daraufhin betrogen vor. Ob sich der Ersteigerer der Maske ggf. selbst betrogen hat, soll hier außer Betracht bleiben. Es soll auch nicht um den Wert sog. „Kunst“ gehen, denn selbst ein Stück Kot kann, bei entsprechender Verpackung, einen beachtlichen Marktpreis erzielen. Gehen soll es vielmehr um den Eigenschaftsirrtum, der in § 119 Abs. 2 BGB geregelt ist. Zugegeben ist die Rechtslage in Frankreich ein wenig anders, insbesondere scheinen die Gerichte dort dem Mitverschulden der Verkäufer einen hohen Stellenwert einzuräumen. Was wäre, wenn sich der Fall in Deutschland ereignet hätte?

Das kommt natürlich auch auf die Zeit an, in welcher der Fall spielt. Bei den Nazis hätte das ältere Ehepaar dem Gebrauchtwagenhändler vermutlich den Kaufpreis wegen Wuchers zurückzahlen müssen, weil es ihm sog. „wertlosen Tinnef“ angedreht hatte, vgl. den NS-Propagandafilm „Venus vor Gericht„. An einen Versteigerungsgewinn wäre damals natürlich auch nicht zu denken gewesen, weil sich wohl niemand dazu bereiterklärt hätte, ein solches Exponat anzubieten. In der Weimarer Republik und auch in der heutigen Bundesrepublik sah bzw. sieht die Sache natürlich völlig anders aus. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des BGH, wäre ein Fall, der sich im Jahre 1987 zugetragen hat. Dort ging es es um das Ölbildnis eines jungen Mannes, das anscheinend nicht, wie zunächst angenommen, von dem amerikanischen Maler Duveneck stammte, sondern von dem offenbar wesentlich bedeutenderen Maler Leibl. Jedenfalls wurde das Ölgemälde hinterher von einem sog. „Kunstexperten“ begutachtet und Letzterem zugeschrieben. Diese nachträgliche Aufwertung des Ölgemäldes um das Vierfache hat die Kosten des Gutachtens bestimmt weit übertroffen. Das Geschäftsmodell vieler Trödler basiert auf Zufallstreffern.

Tipp: Lassen Sie ihren alten Krempel vom Dachboden von sog. „Experten“ bewerten.

Der BGH bejahte die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums, denn die Identität des Künstlers ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Kunstwerks.

Merke: Der Marktwert allein, ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache.

Ähnlich wäre es wohl auch im vorliegenden Fall gelaufen, hätte er in Deutschland gespielt. Die Identität des Künstlers ist bei der afrikanischen Maske zwar nicht von ganz so ausschlaggebender Bedeutung, wie bei einem Ölgemälde, aber das Alter des Artefakts ist es mit Sicherheit. Was das „Mitverschulden“ anbetrifft, so gibt es in Deutschland in § 122 BGB eine spezielle Regelung. Danach wäre das sog. „negative Interesse“ (Vertrauensschaden) zu ersetzen.

 

Exkurs: In den USA wäre der Fall wohl ähnlich, wie in Frankreich gelaufen. Dort ist man Anhänger des sog. „Freien Marktes„, der letztlich auf der vollen Eigenverantwortung erwachsener Menschen basiert. Dies führt in der Praxis zu zwei Grundregeln, die jeder Gebrauchtwagenhändler kennen dürfte: „Buy low, sell high“ und „There is a sucker born every minute“ (Jeden Tag steht ein Dummer auf). Das sog. „Price gouging“ ist nur in Notstandslagen reguliert. In den USA hätte der Gebrauchtwagenhändler alles richtig gemacht. Er hat einen „Sucker“ gefunden, bei dem er die Maske billig einkaufen konnte, und er hat einen „Sucker“ gefunden, dem er die Maske teuer verkaufen konnte. Es gibt keinen Grund, einen der „Sucker“ am Profit, der allein auf seiner eigenen Tüchtigkeit basiert, zu beteiligen. Für uns ist das völlig unverständlich, weil wir in einem rechtlichen Umfeld leben, das seit dem 01.01.1900 durch das BGB geprägt ist. Unser Rechtssystem ist im Vergleich zum amerikanischen Recht 120 Jahre jünger und hat angeblich aus den Fehlern anderer gelernt. Das BGB verhindert übermäßige „Abzocke“ bewusst. Andersrum kann man in Deutschland nicht so schnell auf Kosten anderer Reich werden, wie in den USA.