Die BILD-Zeitung berichtet folgenden Sachverhalt: Laut Anklage soll Ahmed A. Martin K. grundlos drei Faustschläge ins Gesicht verpasst haben, bis dieser zu Boden fiel und mit dem Kopf auf den Asphalt aufschlug. Ossama D. soll Martin K. dann ins Gesicht gesprungen sein, bevor beide Angeklagten jeweils mit einem weiteren Tritt auf ihn einwirkten. Das Opfer starb zwei Tage nach dem Angriff an Hirnblutungen im Krankenhaus. Anders, als von der Staatsanwaltschaft vorerst beabsichtigt, müssen sich die beiden Angeklagten jedoch nicht wegen gemeinschaftlichen Totschlags verantworten. Dazu fehle der hinreichende Tatverdacht, wie die Kammer in ihrem Eröffnungsbeschluss feststellte.

Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Warum weder Mord noch Totschlag?

Die Antwort bezüglich des Mordes scheint relativ einfach zu sein: Weil keine Mordmerkmale vorliegen! Aber ist das wirklich so? Wie wäre es z.B. mit dem Mordmerkmal Heimtücke, das laut ständiger Rechtsprechung bei einem Überraschungsangriff regelmäßig in Betracht kommt. Wenn jemand aus heiterem Himmel drei Faustschläge ins Gesicht bekommt, könnte das durchaus überraschend gewesen sein. Wie üblich kenne ich natürlich die Akte nicht, deshalb vermute ich, dass es konkrete Gründe gegeben hat, hier einen Überraschungsangriff zu verneinen.

Aber wie sieht es hier mit dem Totschlag aus? Der Tod des Opfers wurde billigend in Kauf genommen. Davon ist auszugehen, wenn man einer Person, die am Boden liegt ins Gesicht springt und danach mehrfach gegen den Kopf tritt. Ob, bzw. wie sich die Angeklagten dazu eingelassen haben, ist völlig egal.

Der vorliegende Fall ist von folgender Konstellation abzugrenzen: Das Opfer wird durch den Faustschlag bewusstlos, schlägt mit dem Kopf an einer Straßenkante auf und verstirbt an den Folgen des Sturzes. Dies wäre der typische Fall einer Körperverletzung mit Todesfolge.

Der Clou, der den Fall komplett auf den Kopf stellt, ist hier natürlich das Gutachten des Rechtsmediziners. Der hat nämlich durch seine überragende Sachkunde festgestellt, dass im Kopf des Opfers ein zuvor unentdecktes Aneurysma geplatzt war. Ob es der Faustschlag war, der dies auslöste, oder der Aufprall auf dem Asphalt, war allerdings trotz seiner überragenden Sachkunde nicht mehr feststellbar. Dasselbe gilt vermutlich auch für die Tritte gegen den Kopf. Damit hat – wie leider so oft – der Sachverständige die Suppe versalzen. Aus dem vollendeten Totschlag konnte nach diesen Ausführungen nur noch ein Versuch werden, denn die Angeklagten müssen sich die Vorerkrankungen des Opfers nicht zurechnen lassen. Der Rest war quasi Formsache. Anstelle der Vorsitzenden, die nichts dafür kann, hätte man vielleicht besser den Gerichtsmediziner abbilden sollen, denn er hat die ganze Arbeit geleistet.

Nachtrag (09.01.2025): Völlig anders ist die Sachlage in diesem Fall. Dort geht der Freispruch vollständig auf das Konto der Richterin. Der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ greift nur, wenn Zweifel bestehen. Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn die Richterin dem Opfer geglaubt hätte. Insoweit möchte ich an ein berühmtes Zitat von Marshall McLuhan erinnern: „I may be wrong, but I am never in doubt“. Mein Ausbilder, ein Frankfurter Strafrichter, der mittlerweile im Ruhestand ist, hatte während der gesamten Stationszeit kein einziges mal Zweifel. Das führt mich zu meinem Mantra: Andere Richter, andere Urteile!