Das umstrittene Nachrichtenportal Apollo News berichtet über einen weiteren Fall politischer Repression. Warum umstritten? Das zeigt sich schon daran, dass der Linkshorter t1p.de angeblich Probleme hat, auf diese Seite zu verlinken. Der Linkshorter tinyurl.com hat diese Probleme nicht.
Worum geht es in dem Artikel? Eine (arme) Rentnerin – Merke: Das Gesetz gilt für alle. Die Vermögensverhältnisse werden ggf. bei den Tagessätzen berücksichtigt – wurde vom Amtsgericht Düsseldorf zu einer relativ hohen Geldstrafe verurteilt, nachdem sie Einspruch (= Wegfall der Geständnisfunktion) gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte. Gut, offenbar war sie auch bereits einschlägig bestraft worden, was die auf den ersten Blick völlig überzogenen wirkenden 150 Tagessätze wegen einer auf den ersten Blick völlig harmlos wirkenden Aussage zumindest teilweise erklärt.
Der Fall ist aus mehren Gründen interessant. Zum einen dürfte hier kein Staatsanwalt eine Strafverschärfung wegen „massiver Politikkritik“ gefordert haben, sondern ein Amtsanwalt, d.h. ein Rechtspfleger mit Zusatzausbildung. Zum anderen gibt es diesen sonderbaren Strafverschärfungsgrund gar nicht, jedenfalls nicht typisiert. § 188 StGB stellt auf den Politiker als Opfer ab, und nicht auf die Politik als Ganzes. Kritik ist ohnehin nicht strafbar, nur die Beleidigung. Hier könnte man zunächst an sachfremde Erwägungen bei Strafzumessung gem. § 46 StGB denken, jedoch ist nicht entscheidend, was der Amtsanwalt erzählt, sondern was das Gericht dazu sagt. In der Urteilsbegründung wird die Meinung des Amtsanwalts mit Sicherheit nicht erwähnt sein.
Auch aus Sicht der besten Verteidigungsstrategie ist der Fall interessant, denn die Angeklagte hat sich offenbar zum Tatvorwurf eingelassen. Auf das Schweigerecht zu verzichten, ist grundsätzlich ein Eigentor. Ob ausnahmsweise Gründe vorlagen, die eine Einlassung sinnvoll erscheinen ließen, ist mir mangels Aktenkenntnis natürlich nicht bekannt. Jedenfalls wäre es Aufgabe des Gerichts gewesen, die für die Angeklagte günstigste Auslegung der auf Facebook getätigten Aussagen zu finden. Wenn der Richter der Meinung ist, man könne die Aussage der Angeklagten nur in eine Richtung verstehen, sind grundsätzlich Zweifel geboten. Sprache ist ungenau und typischerweise lassen sich Aussagen sehr wohl in unterschiedliche Richtungen interpretieren. Mal ist gemeint, was gesagt wurde, mal ist es Satire, mal steht etwas zwischen den Zeilen. Bei der Auslegung von Gesetzen ist das nicht anders. Mal ist der Wortlaut entscheidend, mal nicht. Ob der zweite Satz der Angeklagten Bezug auf den ersten nehmen sollte, dürfte auch fraglich sein. Zum Beispiel kann die Aussage, „auf Vergewaltiger seien wir nicht angewiesen“, durchaus neutral zu bewerten sein. Wozu braucht man Vergewaltiger? Bestimmt nicht dafür, dass die Zeitungen, die Justiz und die Anwälte davon leben können. Was bleibt dann noch übrig? Das ist ein Thema für Philosophen, nicht für Gerichte.
Ferndiagnose ohne Gewähr: Das Einlegen von Rechtsmittel dürfte im vorliegenden Fall aussichtsreich sein. Allerdings kann es auch sehr teuer werden.