Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol bittet um Entschuldigung, weil er das Kriegsrecht verhängt hatte.
Es ist neuerdings eine weit verbreitete Unsitte, wegen Vorsatztaten um „Entschuldigung“ zu bitten. Man hört es leider überall, quasi von morgens bis abends: Entschuldigung! Entschuldigung! Entschuldigung! Warum das ist falsch?
Diese Bitte ist falsch, weil unvollständig. Im Original lautet sie nämlich: „Entschuldigung, das habe ich nicht gewollt“. Der Vorsatz wurde früher im Strafrecht noch in der Schuld geprüft (sog. „Schuldtheorie“), im Zivilrecht ist es übrigens immer noch so. Wer ohne Vorsatz handelte, handelte schuldlos. Wer den Taterfolg nicht wollte, war demnach entschuldigt. Wer den Taterfolg jedoch wollte, handelte schuldhaft und konnte sich nicht auf Entschuldigung berufen.
Wollte der südkoreanische Präsident das Kriegsrecht verhängen? Selbstverständlich wollte er das, und dafür gibt es auch keine Entschuldigung.
Bleibt noch die Frage, warum der Vorsatz im Strafrecht bei uns mittlerweile im Tatbestand, und nicht mehr in der Schuld geprüft wird. Dies geht auf einen Professor namens Hans Welzel und seine Finale Handlungslehre zurück. Die Ausgangsidee war gar mal nicht so schlecht: Er wollte Handlungen, die nicht vom Willen getragen sind (z.B. Unfälle, die von Bewusstlosen im Straßenverkehr verursacht werden), bereits auf der Tatbestandsebene aussortieren. Das Ergebnis ist jedoch – wie so oft, wenn Theoretiker aus dem Elfenbeinturm am Werk sind – völlig lebensfremd und sorgt bei der normalen Bevölkerung regelmäßig für Unverständnis. Der Fehlgebrauch des Begriffs „Entschuldigung“, der sich mittlerweile durchgesetzt hat, ist das perfekte Beispiel dafür.
Exkurs: Interessanterweise hat sich Welzel auch bei einer Entschuldigungsproblematik einen Namen gemacht, dem sog. „Trolley-Problem„, wo es darum geht, Leben gegeneinander aufzuwiegen. Ein Weichenersteller erkennt, dass es zu einem großen Unglück kommen wird, bei dem viele Menschen sterben werden, spielt Gott und lenkt den Zug auf einen Einzelnen, der damit nicht Glück, sondern Pech gehabt hat. Ist der Weichensteller dafür aus „höheren Gründen“ entschuldigt? Dieses Problem hat neuerdings wieder Aktualität erlangt, denn auch die selbstfahrende KI soll – zumindest nach Meinung einiger Universitätsprofessoren – „ethisch“ handeln und Unbeteiligte töten dürfen. Wenn es beim Straßenverkehr anfängt, fragt man sich, wo es enden wird.