Die LTO meldet einen schockierenden Vorgang aus Rheinland-Pfalz. Auf die Haftbeschwerde des Verteidigers hin, hat das OLG Zweibrücken angeordnet, einen Angeklagten aus der U-Haft zu entlassen. Grund war die überlange Verfahrensdauer, denn der Angeklagte war zwar – nicht rechtskräftig – verurteilt worden, saß aber seit über zwei Jahren in U-Haft. Die Höchstgrenzen zur Unterbrechung wurden eingehalten, jedoch es wirkte eher wie eine Umgehung.
Warum wundern sich normale Bürger über eine solche Entscheidung und verstehen die Welt nicht mehr? Weil der junge Mann – mit dem deutsch klingenden Vornamen Lukas – wegen Mordes und mehrfacher Vergewaltigung zur Höchstrafe nach Jugendstrafrecht von 10 Jahren verurteilt worden war, und sogar noch eine anschließende Sicherungsverfahrung im Raum steht. Mit anderen Worten, er stellt offenbar eine große Gefahr für die Allgemeinheit dar, jedenfalls nach Ansicht der Staatsanwaltschaft. Bei der Abwägung zwischen dem „Beschleunigungsgrundsatz“ und der Gemeingefahr, die von diesem Angeklagten ausgeht, gaben die Richter dem Grundsatz den Vorrang. Andere Richter hätten es vielleicht anders gesehen, die waren aber nicht zuständig.
Das Problem dabei sind, wie so oft, die bösen Nazis. Im Dritten Reich konnte die Exekutive einfache Bürger ohne gerichtliches Verfahren auf unbestimmte Zeit wegsperren. Zudem haben Nazis auch noch die Sicherungsverwahrung erfunden. Wir bewegen uns bei diesem Thema somit auf sehr dünnem Eis. Um vorzubeugen, dass in Deutschland wieder solche Zustände herrschen, sind wir heute extrem darauf fixiert, dass solchen Angeklagten kein Unrecht widerfährt. Deshalb nimmt der Gesetzgeber, stellvertretend für uns, billigend in Kauf, dass selbst gemeingefährliche Mörder und Serienvergewaltiger aus formalen Gründen wieder auf die Menschheit losgelassen werden. Sollten sie in Freiheit rückfällig werden, so ist das ein bedauerlicher Kollateralschaden unserer Rechtsordnung. Da müssen wir leider durch. Nicht wir alle natürlich, nur die Opfer müssen da durch, und allenfalls noch ihre Angehörigen.
Zu guter Letzt kann man sich natürlich auch noch die Frage stellen, wieso der Verteidiger Haftprüfung beantragt hat, denn damit ist er de facto für solche Kollateralschäden kausal. Er hat es getan, weil sein Job darin besteht, dafür zu sorgen, dass die prozessualen Spielregeln eingehalten werden. Über die Folgen macht er sich keine Gedanken, denn das ist Sache des Gesetzgebers. Ich halte das für problematisch, deshalb übernehme ich solche Fälle nicht.