Die WELT berichtet über eine hohe Geldstrafe für einen Blogger wegen Beleidigung von drei Frauen, darunter eine Politikerin. Unter anderem nannte er sie „Lachnummern“ und kommentierte, man könne sie „auf ‚ne Kippenschachtel tun als Warnhinweis“. Die Strafe betrug zunächst 40 Tagessätze a‘ 80 € und wurde in der Berufung auf 120 Tagessätze a‘ 200 € hochgesetzt. Die Urteile liegen mir nicht vor, aber ich kann dazu ein paar Anmerkungen machen.
1. Schuld
Die Beleidigung bezeichne ich gerne als die Radarfalle des Amtsgerichts. Das liegt daran, dass im Fernsehen und im Kino hauptsächlich Spielfilme aus den USA gezeigt werden, wo das, was deutsche Gerichte unter Beleidung verstehen, von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Es wird somit den Zuschauern ein – in Deutschland strafbares – Verhalten als „normal“ vorgeführt und damit eine soziale Adäquanz geschaffen. Wer nicht aufpasst, wird dann quasi vom Amtsgericht „geblitzt“. Was vielleicht als lockerer Spruch gemeint war, kann dann sehr schnell ein Monatsgehalt kosten, oder – wie hier – auch mehr.
Ob die Bezeichnung „Lachnummer“ bereits eine Formalbeleidigung ist, sei mal dahingestellt. „Warnhinweis auf einer Kippenschachtel“ war im Hinblick auf die Fotos, die man dort üblicherweise sehen kann, bestimmt nicht in Ordnung. Das Aussehen einer Person mit den optischen Folgen eines Krebsleidens gleichzusetzen, ist auch nach meinem Rechtsverständnis eine Beleidigung.
Es kann allerdings sein, dass Politiker und auch Politikerinnen sich dies durchaus bieten lassen müssen, weil sie als Personen des öffentlichen Lebens nicht nur aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit polarisieren, sondern auch von ihrer Popularität und dem öffentlichen Diskurs profitieren. Wer davon profitiert, muss auch bestimmte Nachteile akzeptieren. Insoweit ist eine Abwägung durchzuführen. Das ist ständige Rechtsprechung des BVerfG. Nun bin ich nicht der gesetzliche Richter, deshalb ist egal, wie ich abgewogen hätte. Diese Richter haben es nunmal so gesehen.
2. Strafe
Bei der Strafe für eine Beleidigung gilt der gesetzliche Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Welche Strafe das Gericht verhängt, liegt vollständig in seinem Ermessen. Es gibt allerdings gewisse Erfahrungswerte, die je nach Gerichtsbezirk varrieren. Dann gibt es auch noch Bücher, wie z.B. Schäfer/Sander „Die Praxis der Strafzumessung„, die typische Strafen aufzählen. Bei der Beleidigung, z.B. Vogelzeigen, steht dort: 20 Tagessätze. 40 Tagessätze sind bei einem Ersttäter – ob er das ist, wissen wir nicht – und mehreren Tatopfern durchaus denkbar. Bei 120 Tagessätzen hätte ich allerdings schwerste Bedenken. Diese Richter haben es jedoch anders gesehen. Genau dafür haben wir den „gesetzlichen Richter“.
Was die Tagessätze anbetrifft, so sind 80 € in Ordnung, sofern der Angeklagte 2.400 € pro Monat verdient, und 200 € in Ordnung, sofern der Angeklagte 6.000 € pro Monat verdient. Was er wirklich verdient, kann objektiv festgestellt werden. Offenbar waren es 6.000 € pro Monat.
3. Weiteres Vorgehen
Natürlich bleibt noch die Möglichkeit zur Revision zum OLG, und danach gegebenfalls Verfassungsbeschwerde. Die Strafe selbst kann nicht mehr höher ausfallen, allenfalls die Gerichtskosten. Mir scheinen Rechtsmittel hier allerdings aus politischen Gründen (sachfremde Erwägungen) aussichtslos zu sein.