Laut einer Schlagzeile des Spiegels wurde gegen den mutmaßlichen Attentäter von Mannheim Haftbefehl erlassen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm, man höre und staune, versuchten Mord zur Last.

Entgegen vieler Unkenrufe funktioniert der Rechtsstaat. Deutsche Staatsanwälte und deutsche Ermittlungsrichter können offensichtliche Fälle, bei denen selbst jeder Laie sofort weiß, was zu tun ist, korrekt subsummieren. Dies könnte man zumindest meinen, jedoch liegt der Teufel im Detail. Es stellt sich nämlich die Frage, ob hier auch wirklich Haftgründe i.S.v. § 112 StPO vorliegen. Mit der sog. „Kleinen Strafrechtsnovelle“ im Jahre 1965 kam die damalige Große Koalition auf die wundervoll kreative Idee, die Haftgründe abschließend aufzuzählen. Einer dieser Kataloggründe ist die Fluchtgefahr, die jedoch – wie besonders spitzfindige Juristen bemerkt haben – insbesondere nach Abschaffung der Todesstrafe nicht allein durch eine hohe Straferwartung zu begründen ist. Was macht man mit einem mutmaßlichen Mörder, der gewillt ist, sich der Justiz zu stellen, weil er z.B. fest mit einem Freispruch rechnet?

Zum Glück ist das Bundesverfassungsgericht den verzweifelten Staatsanwälten, die nicht wussten, was sie in die Begründung schreiben sollten, zur Seite gesprungen und hat im Falle eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers, eines deutschen Admirals a. D., der als Marineattache bei der Deutschen Botschaft in Tokio tätig war, entschieden, dass bei Mordverdacht immer Haftbefehl erlassen werden darf. Letztlich dank der bösen Nazis, die in unserem Rechtsstaat bedingungslos verfolgt werden können, da sie de facto vogelfrei sind, durfte somit auch im Falle des Mannheimer Attentäters Haftbefehl erlassen werden.

P.S.: Das Verfahren gegen den Admiral wurde übrigens wegen Verjährung eingestellt. Nicht zuletzt solche Fälle lösten die Verjährungsdebatte aus.

 

Exkurs: Wie sahen die Haftgründe unter den bösen Nazis aus, die bekanntlich alles falsch gemacht hatten?

Nun, auch im Dritten Reich, dem Unrechtsstaat par excellence, galt natürlich die StPO. Die damalige Fassung des § 112 lautete:

Der Angeschuldigte darf nur dann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorhanden sind und entweder er der Flucht verdächtig ist oder Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß er Spuren der Tat vernichten oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnispflicht zu entziehen oder daß er die Freiheit zu neuen strafbaren Handlungen mißbrauchen werde oder wenn es mit Rücksicht auf die schwere der Tat und die durch sie hervorgerufene Erregung der Öffentlichkeit nicht erträglich wäre, den Angeschuldigten in Freiheit zu lassen. Die Tatsachen sind aktenkundig zu machen.

Der Verdacht der Flucht bedarf keiner weiteren Begründung:

1. wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet;
2. wenn der Angeschuldigte ein Heimatloser oder Landstreicher oder nicht imstande ist, sich über seine Person auszuweisen;
3. wenn der Angeschuldigte ein Ausländer ist und begründeter Zweifel besteht, daß er sich auf Ladung vor Gericht stellen und dem Urteile Folge leisten werde.