Die Rechtsanwaltsgesellschaft JUSLEGAL mbh betreibt aktuell das Inkasso für die Fa. JP Trading Enterprises UG. Es geht dabei offenbar um den Kauf von Software bzw. von Softwarelizenzen auf der Internetplattform Amazon. Kunden wurden nach Abschluss der Transaktion vom Verkäufer, der Fa. JP Trading Enterprises, angeschrieben, es sei aufgrund eines internen Fehlers zu einer Rückbuchung des Kaufpreises gekommen. Es wurde höflich darum gebeten, die Summe innerhalb von drei Werktagen direkt auf das Konto des Verkäufers zu überweisen.
Wer sich über diesen „Durchgriff“ wunderte, Amazon kontaktierte, und ansonsten untätig blieb, dürfte Post von besagter Rechtsanwaltsgesellschaft mbh erhalten haben. Das hier vorliegende Schreiben gibt durchaus Anlass zur Verwunderung.
Zu Beginn wird die Bevollmächtigung mit „Ehrenwort“ versichert. Diesbezüglich sollte man den § 174 BGB kennen, und wissen, dass dem „Ehrenwort“ in Deutschland spätestens seit dem Edelmann-Fall des Reichsgerichts keine juristische Bedeutung zukommt. Als nächstes wird die Behauptung in den Raum gestellt, der Adressat des Schreibens sei in Verzug. Das ist jedoch lediglich eine Rechtsansicht, keine Tatsache. Dann wird ein Gegenstandswert genannt, den die Anlage 2 zum RVG nicht kennt. Wenigstens hat man es im Ergebnis geschafft, mit Ausnahme der Umsatzsteuer, korrekt abzurechnen.
Auf der zweiten Seite wird das Schreiben jedoch wirklich bedenklich, und zwar nicht zur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich.
Das Zitat des § 286 Abs. 2 BGB endet nämlich nicht, wie das Original, mit einem Semikolon, sondern mit einem Punkt. Man muss nicht päpstlicher sein als der Papst, könnte man an dieser Stelle einwenden. So einfach ist es jedoch nicht, denn hier steht ein versuchter Betrug im Raum. Zumindest ist das objektive Tatbestandsmerkmal einer Täuschung über Tatsachen erfüllt. Dadurch entsteht auch ein Irrtum, denn der Leser glaubt, der Satz sei an dieser Stelle zuende. In Wirklichkeit geht der Satz jedoch noch weiter. Es kommt nämlich die Passage mit der Ausnahme, die hier rein zufällig auch noch einschlägig ist. Käme es aufgrund des Irrtums zu einer Zahlung, so läge auch ein Schaden vor, weil insoweit kein Anspruch besteht. Natürlich muss für einen versuchten Betrug auch noch ein Tatentschluss vorliegen. Es könnte natürlich alles ein ärgerliches Versehen gewesen sein. Man weiß es nicht…
Eine zivilrechtliche Frage steht zudem im Raum, ob dieses Schreiben rechtliche Konsequenzen hat. Selbst wenn die Anwaltskosten nicht zu ersetzen sind, könnte hier nämlich immer noch eine wirksame Mahnung bezüglich des Teilbetrages in Höhe von 8,32 € vorliegen. Wenn dem so wäre, könnte im Anschluss ein Mahnverfahren eingeleitet oder Klage erhoben werden, wogegen man sich nicht mehr durch ein sofortiges Anerkenntnis verteidigen könnte.
An dieser Stelle wird die Geschichte interessant, denn wir haben es mit dem Problem der „Mahnung unter Zuvielforderung“ zu tun. Dazu führt der BGH (Urteil vom 05.10.2005 – X ZR 276/02) folgendes aus:
„Die Prüfung, ob eine Zuvielforderung zur Unwirksamkeit einer Mahnung führt, erfordert eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben vorzunehmende Würdigung, ob der Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist.“
„Umstände des Einzelfalls“ bedeutet, dass es mal so ausgehen kann, und mal so. Mit Treu und Glauben bezüglich des Inkassoanwalts dürfte es hier zwar schwierig werden, aber vermutlich wird der Gläubiger mit seinen 8,32 € zufrieden sein. Das hängt letzlich von der Tagesform des jeweiligen Gerichts ab.
Daher lässt sich in dem vorliegenden Fall folgendes raten:
1. Die Mahnung wegen fehlender Originalvollmacht unverzüglich zurückweisen. Damit sollte vorerst Ruhe im Karton sein.
2. Den Rückforderungsbetrag (hier 8,32 €) fristgemäß an JP Trading überweisen, zumindest sofern Amazon keine Zusicherungen abgegeben hat.
3. Die Erfolgschancen einer Negativen Feststellungklage bezüglich der geltend gemachten Anwaltskosten prüfen.
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