Offenbar ist es im wunderschönen Budapest zu Ausschreitungen gekommen. Nein, diesmal sind es nicht die üblichen Proteste gegen den bösen alten Mann, der offenkundig im falschen Lager steht, sondern um „brutale Angriffe“ von Linksextremisten auf Neo-Nazis, Geschichtsrevisionisten und V-Leute des Verfassungsschutzes, denn die sind auch immer mit von der Partie. Darum soll es hier jedoch nicht gehen. Anlass für diesen Beitrag ist vielmehr die Berichterstattung im Standard. Sie beginnt mit:

11. Februar 1945: Die ungarische Hauptstadt Budapest ist von der Roten Armee umschlossen, bereits seit Wochen ist die Stadt eingekesselt. Im Kessel befinden sich neben noch etwa 800.000 verbliebenen Einwohnern und Einwohnerinnen auch 70.000 Soldaten, davon 37.000 ungarische und etwa 33.000 deutsche Angehörige von Kampftruppen. Am Abend des 11. Februar beschließt die deutsche Heeresleitung einen Ausbruch zu unternehmen. Beim Versuch, die feindlichen Linien zu durchbrechen, sterben fast alle der eingekesselten Soldaten, nur ein paar Hundert gelingt der sogenannte „Ausbruch“. Zwei Tage später wird Budapest von der Roten Armee befreit.

Zwei Tage später wurde Budapest also von der Roten Armee „befreit“. Toll? Da schauen wir doch mal in die Wikipedia. Die deutsche Version zieht unter dem Reiter „Folgen“ eine Verlustbilanz auf beiden Seiten. Die englische Wikipedia hat diesen Reiter natürlich auch, zusätzlich gibt es jedoch noch den Reiter „Impact on civilians„, den ich hier vollständig zitiere:

According to Krisztián Ungváry, some 38,000 civilians died during the siege: about 13,000 from military action and 25,000 from starvation, disease and other causes. Of this number, 15,000 were killed in mass executions of Jews by the far-right Hungarian nationalist Arrow Cross Party. Although the Soviet staff gave orders prohibiting ill-treatment of prisoners of war and civilians to almost every unit and took harsh measures against the violators, after the end of hostilities Budapest was flooded by Soviet deserters living on pillage and fighting against the Soviet security service and police, and excesses such as looting and mass rape were carried out by Soviets and Hungarian criminals. Despite the fact that the Soviets often took children and entire families under their protection and had a taboo on hurting children, a high number of women and girls were raped, although estimates vary from 5,000 to 200,000. Norman Naimark argues that Hungarian girls were kidnapped and taken to Red Army quarters, where they were imprisoned, repeatedly raped and sometimes murdered. Professor Andrea Pető argues that „uncertain, wild estimates“ were used for political purposes in Hungary to divert public attention away from the crimes committed by that country, including rapes committed against Soviet women by Hungarians.

Massenmorde und Massenvergewaltigungen subsummiere ich nicht unter den Begriff „Befreiung“. In Anbetracht dieser Exzesse, macht der verzweifelte Ausbruchsversuch in der Rückschau durchaus Sinn. Die WELT setzt der Desinformation jedoch die Krone auf und zitiert die Bewertung von Historikern:

Deutsche SS-Einheiten hatten zusammen mit ihren ungarischen Verbündeten, den sogenannten Pfeilkreuzlern, im Februar 1945 den Versuch unternommen, den sowjetischen Belagerungsring zu durchbrechen. Die Aktion schlug fehl. Historiker bewerten den sogenannten „Ausbruch“ als sinnlos. Ihnen zufolge forderte die Aktion unnötigerweise eine große Zahl an zivilen Opfern.

An dieser Stelle bleibt nur noch eine Frage offen: Um wessen Historiker handelt es sich?