In Anbetracht der Vorgänge in Frankreich macht es Sinn einen Blick auf das Renteneintrittsalter in Deutschland zu blicken.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales klärt über die Geschichte der Rente in Deutschland auf:

Unter Reichskanzler Otto von Bismarck verabschiedete der Reichstag nach zweijähriger intensiver öffentlicher Diskussion am 22. Juni 1889 das Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung. Nach dem schon 1883 eingeführten Krankenversicherungsgesetz für die Arbeiter und dem Unfallversicherungsgesetz von 1884 war damit die Grundlage der gesetzlichen Rentenversicherung für alle Arbeiter ab dem 16. Lebensjahr und Angestellte mit einem Jahreseinkommen bis zu 2.000 Mark geschaffen.

Wir halten fest: Von Nullkommanichts zum weltweit ersten gesetzlichen Rentenanspruch war ein Quantensprung.

Eine Rente wurde allerdings primär im Falle einer Arbeitsinvalidität ausgezahlt. Altersrente wurde als „Sicherheitszuschuss zum Lebensunterhalt“ erst ab Vollendung des 70. Lebensjahres gezahlt, was weit über der durchschnittlichen Lebenserwartung der Arbeiter zu dieser Zeit lag (Durchschnittliche Lebenserwartung von Männern im Jahr 1910: 45 Jahre; von Frauen: 48 Jahre). Der Beitragssatz für diese Rente lag bei lediglich 1,7 Prozent und wurde je zur Hälfte von den Arbeitern und den Arbeitgebern getragen.

Woran lag es, dass das Durchschnittalter damals angeblich so gering gewesen sein soll, wo doch die Alterspyramide damals noch wie eine idealtypische Pyramide aussah? Oder lag es vielleicht genau daran? Ist unser Durchschnittalter nur deshalb angestiegen, weil die Geburten zurückgingen? Hmmm…..

Die Bundeszentrale für Politische Bildung erklärt den Zusammenhang nicht, kommt jedoch für 1910 auf ein leicht höheres Durchschnittalter. Beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung findet man auch keine Erklärung, aber dafür eine völlig absurd wirkende Grafik. Selbstverständlich darf man den auch Rückgang der Säuglingssterblichkeit nicht ausblenden.

Im Jahre 2014 verband der Fokus die üblichen Hasstiraden auf Bismarck mit der kühnen Forderung, zurück zur Rente mit 70. Wer jetzt noch nicht davon überzeugt ist, dass wir im besten Deutschland aller Zeiten leben, dem kann man wirklich nicht mehr helfen. Dass Bismarcks Deutschland fortschrittlicher war, als der Rest der Welt, ignorieren wir einfach, denn das Bild seiner Zeit muss zwingend schlecht sein, nicht zuletzt, um die für die BRD die exorbitant wichtige Kontinuität zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus herstellen zu können.

Länger zu arbeiten, ist jedoch nur die eine Hälfte der Medaille. Wichtig ist natürlich auch, was am Ende monatlich auf dem Konto ankommt. Wer bekommt eigentlich den geringsten „Netto-Ersatzanteil“ in Europa, bezogen auf das letzte Einkommen? Die FAZ sprach in 2013 von hinteren Plätzen. Basierend auf einer Studie der OECD aus dem Jahre 2021 zeigt die Frankfurter Rundschau Deutschland immerhin auf Platz 2 hinter Dänemark. Im Münchener Merkur wird dieselbe Statistik erwähnt, nur etwas differenzierter. Unbestreitbare Tatsache ist jedoch: Die Deutschen liegen in Europa bei der Lebensarbeitszeit deutlich über dem Durchschnitt, und beim Netto-Ersatzanteil deutlich darunter. Wer ist der Depp? Wer profitiert von der Differenz? Darum geht es im Kern.