Gestern sprach der Spiegel noch von einer Schande für die Nation, gemeint ist England. Heute morgen kommt die erlösende Eilmeldung auf allen Kanälen: Der EGMR hat den britischen Abschiebeflug nach Ruanda gestoppt.

Dies kann man als positive Nachricht interpretieren, z.B. wenn man als internationaler Sozialist die globale Agenda von der grenzenlosen Welt vertritt, oder auch aus Schadenfreude, wenn man trotz aller Bemühungen des NDR in England immer noch den bösen Feind aus den beiden Weltkriegen sieht.

Juristen beurteilen solche Meldungen in erster Linie rechtsvergleichend. Die Rechtsprechung des EGMR war bis in Jahr 2004 für die Bundesrepublik unverbindlich. Dann wurde ihr jedoch in einem Paukenschlag vom Bundesverfassungsgericht im „Göröglu-Beschluss“ der Stellenwert einfachen Rechts zugebilligt. Das Bundesverfassungsgericht ermächtige den EGMR mit derselben Begründung, mit der sich der EUGH im Jahre 1963 in der „Van-Gend&Loos-Entscheidung“ selbstermächtigt hatte. Das heißt im Ergebnis: Seit 2004 sind deutsche Behörden und Gerichte an die Rechtsprechung des EGMR gebunden. Anders ist es jedoch bei unseren guten Freunden in England, denn dort unterwirft man sich bekanntlich nicht gerne fremden Herren. Im britischen Rechtssystem werden die Entscheidungen des EGMR lediglich berücksicht („taken into account“). So verwundert auch nicht, dass die britische Innenministerin bereits angekündigt hat, an ihrem Vorhaben festzuhalten, was bei uns, wo das Kriechen Teil der Staatsraison ist, völlig undenkbar wäre.

Das Problem beim EGMR ist dasselbe Problem, wie bei jeder Superrevisionsinstanz, deren Besetzung nicht demokratisch gewählt ist, schon gar nicht durch die eigene Bevölkerung. Es entsteht der unwiderlegbare Anschein der Fremdbestimmung. Kritiker des EGMR werfen ihm zudem auch noch eine „überschießende Aktivität“ vor, was nicht verwundert, denn es ist faktisch eine Institution, die im Jahre 1998 von linken Regierungen (Blair, Chirac, Schröder) für linken juristischen Ativismus aufgewertet wurde. So wurde z.B. vom EGMR im Jahre 2012 die Rückschiebung von Migranten in der berühmt berüchtigen „Hirsi-Entscheidung“ verboten. Damit haben siebzehn Richter, die niemand gewählt hat, über die Köpfe von 450 Millionen Europäern hinweg über das Schicksal Europas entschieden. Das können sie entsprechend ihres Selbstverständnisses auch, denn wie heißt es so schön im Buch Genesis: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“. Die deutsche Richterin und die spätere Vizepräsidentin des EGMR Angela Nußberger war an dieser Entscheidung übrigens nicht beteiligt. Ich bin mir allerdings absolut sicher, dass auch sie so entschieden hätte.

Fun Fact: Angelika Nußberger nahm im Jahre 2015 einen mit 15.000 Euro dotierten Stiftungspreis entgegen. Da könnte man mal § 331 StGB anprüfen.

 

Nachtrag: Zwei Scherzbolde Journalisten von der WELT stellen die provokante Frage, ob dies auch ein künftiges Modell für Deutschland sein könnte. Mal abgesehen davon, dass diese Überschrift Clickbait für einen Artikel hinter der Paywall in seiner schamlosesten Form darstellt, muss man sich nur an den Madagaskar-Plan erinnern und weiß sofort, dass diese Option absolut undenkbar ist. Im Übrigen müsste man dazu die FDP und die Grünen umstimmen.