Die RP hat einen Kollegen gefragt, wann man Klimakleber von der Straße ziehen darf, und wann nicht. Der Kollege hat zur Nötigung die „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH zitiert. Dabei handelt es sich im Kern ein Kunstgriff, um eine Entscheidung des BVerfG auszuhebeln, die in Sitzblockaden keine „Gewalt“ im Sinne von § 240 StGB sah. Der Kollege kommt daraufhin zu einer Schlussfolgerung, die Laien kaum zu vermitteln sein dürfte. Danach gibt es offenbar Opfer 1. Klasse, die Notwehr üben dürfen, und Opfer 2. Klasse, die sich für dasselbe strafbar machen. Wozu man gehört, hängt vom Zufall ab.

„Sofern vor mir kein weiteres Fahrzeug steht, was mich tatsächlich am Weiterfahren hindert, liegt nach dieser Rechtsprechung keine Nötigung und damit auch kein Angriff auf mich vor, womit ein Wegtragen als Notwehrhandlung ausscheidet“, erklärt der Jurist.

Zwei Juristen, drei Meinungen. Ich differenziere nicht nach den Fahrzeugreihen, und berufe mich diesbezüglich auf eine Entscheidung des OLG Schleswig aus dem Jahre 1984. Danach ist die persönliche Freiheit, sich im Straßenverkehr vorschriftsmäßig zu bewegen, ein notwehrfähiges Rechtsgut. Das heißt natürlich nicht, dass man zu dessen Verteidigung mit Kanonen auf Spatzen schießen darf. Die Notwehrhandlung muss angemessen sein. Da diese sog. „Aktivisten“ schreien, wie am Spieß, wenn ihnen nur das kleinste Haar gekrümmt wird, ist die Wahl des richtigen Mittels auch für Profis nicht immer leicht.

Damit es sich die Opfer dieser sog. „Aktivisten“ besser zweimal überlegen, ob sie ein solches Risiko eingehen wollen, oder lieber drei Stunden warten, bis die Polizeibeamten die sog. „Aktivisten“ nach ordnungsgemäßer Belehrung über Schmerzgriffe in Zeitlupe von der Straße getragen haben, gibt es in Berlin angeblich eine interne Anweisung, gegen Selbsthelfende vorzugehen. Ob dies der Abschreckung dient, oder zu Anklagen geführt hat, ist mir nicht bekannt.

P.S.: Der Experte der LTO sieht es im Ergebnis ähnlich, differenziert jedoch zwischen Notwehr und Nothilfe, was kritisch ist, wenn es nur „eine Reihe“ gibt.